Am rechten Rand: SVP radikal

Nr. 15 –

Von den eifrigen Jungen bis zur Nebelmaschine in Herrliberg: SVP-Exponent:innen zerreden die Verbindungen zur rechtsextremen Szene.

An den entscheidenden Stellen zieht der Nebel auf. Sarah Regez, Strategiechefin der Jungen SVP, will sich an nichts mehr erinnern: nicht daran, wer das Treffen einberufen hat, nicht an die Referenten oder ihre Themen, speziell nicht an den österreichischen rechtsextremen Aktivisten Martin Sellner, überhaupt habe sie erst kürzlich zum ersten Mal von dem Mann gehört. Das erzählte Regez der «SonntagsZeitung», wo sie sich erstmals öffentlich zu einem Treffen mit Sellner im Mai 2023 äusserte, über das der «SonntagsBlick» berichtet hatte. So löchrig die Erinnerung von Regez scheint, so strategisch ist die Verwirrung. Ein Treffen im Umland von Winterthur, das nur Eingeweihten aus der rechten Szene bekannt war – da landet man kaum zufällig.

An etwas kann Regez sich gut erinnern, glatte dreimal verwendet sie die Formel in besagtem Interview: «Das ist alles demokratisch legitim.» Einmal geht es um den Begriff «Remigration», den Regez als eine von wenigen in der SVP öffentlich gebraucht; zum Beispiel mit Hashtag versehen unter einem rassistischen Post auf X. Einst bloss beschreibend in den Sozialwissenschaften verwendet, wurde der von der neuen Rechten zum Kampfbegriff gemacht: um ein Programm zu einer gross angelegten Deportation von Menschen mit Migrationsgeschichte zu propagieren. Der Ursprung des Begriffs dient gleichzeitig der Verharmlosung dieser Fantasie einer ethnischen Säuberung. Es ist auch das Leitkonzept von Sellner, der Vorträge dazu hält und kürzlich ein Buch dazu veröffentlicht hat. «Für mich steht der Begriff für alles, was die SVP seit jeher fordert», sagt Regez. Wohlverstanden nur als Umsetzung des Volkswillens: alles «demokratisch legitimiert».

Es gehört zum Wesen des Rechtspopulismus, die Grenze des demokratisch Legitimen zu verschieben. Das Balancieren auf der Grenze zwischen legitim und noch nicht legitim und ein elastisches Verhältnis zum rechten Rand gehören zu dessen Grundausstattung. Doch selten wurde der Austausch mit der rechtsextremen Szene hierzulande so beherzt verfolgt wie derzeit von gewissen Teilen der JSVP um Regez und Parteipräsident Nils Fiechter. Die eifrigen Jungen verschärfen den Ton, eignen sich neues Vokabular an, suchen Kontakt zur neonazistischen Jungen Tat. Die «NZZ am Sonntag» zitierte den Präsidenten der JSVP Aargau aus einem internen Chat: «Wir müssen ehrlich sein und anerkennen, dass die Junge Tat inhaltlich die exakt gleichen Inhalte anspricht wie wir.»

Zwei NZZ-Journalist:innen hatten am Wochenende die Idee, das Verhältnis der SVP zum rechten Rand wieder einmal beim Ortstermin in Herrliberg zu besprechen. Auf zwei Zeitungsseiten hat Christoph Blocher viel Raum, seine mythologischen Geschichtsbilder auszurollen. Nicht neu, aber doch bemerkenswert, wie Blocher die Grenze gegenüber rechts aussen konsequent zerredet. Einmal gelangt er von seiner Lieblingsschlacht in der frühen Neuzeit in einer haarsträubenden Analogie direkt zum Umgang mit der AfD. Um zur Quintessenz zu gelangen: «Wir reden mit allen.»

Geht es um die Gegenwart, spielt Blocher beharrlich den Dummen. Die JSVP Aargau hat sich mit Rechtsextremen solidarisiert? «Ich kenne weder die Junge Tat noch Martin Sellner.» Stichwort «Remigration»? «Wenn ein paar junge Leute etwas über Rückführung hören wollen, geht unsere Gesellschaft durch einen Vortrag nicht unter.» Eine Sektion der deutschen NPD hat die Schafplakate der SVP kopiert? «Davon weiss ich nichts.» Die grösste Nebelmaschine steht immer noch in Herrliberg.

Wer die Radikalisierung der SVP beobachten will, schaut beim 2022 gegründeten Internetsender Hoch2.tv vorbei. In den holprig moderierten Beiträgen gärt eine zeitgeistige Mischung aus Massnahmenkritik, Verschwörungstheorien, Esoterik und mehreren ausführlichen Gesprächen mit Sellner. Dazwischen fallen die Besuche von SVP-Prominenz auf: Marcel Dettling, Ueli Maurer, Benjamin Giezendanner und eben auch Regez und Fiechter. Nach längerem Schweigen äusserte sich der JSVP-Präsident hier erstmals und ausführlich zu den Verbindungen zur Jungen Tat. Im verschwörerischen Ton des Portals sprach der Mann von einer «Kampagne» gegen ihn und seine Partei, am Jackett ein Schweizer Kreuz, die Haare nach hinten gegelt.

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Kommentare

Kommentar von Patrick Vögelin

Mi., 10.04.2024 - 19:34

Ein Teil des Problems ist die SVP und da reichen keine Lippenbekenntnis mehr sonst fände ich es besser wenn der Nachrichtendienst mal genauer hinschaut.