SVP und Rechtsextreme: Neue Freunde, alte Liebe

Nr. 41 –

Die Schamlosigkeit, mit der SVP-Politiker:innen Verbindungen mit Rechtsextremen eingehen, ist nur scheinbar neu. Die Vertrautheit erweist sich als Kontinuum in der Geschichte der Partei.

SVP-Parteipräsident Marco Chiesa und Nationalrat Jean-Luc Addor posieren im Bundeshaus mit drei Mitgliedern der rechtsextremen Némésis, einer pseudofeministischen Frauengruppe. Maria Wegelin, die Präsidentin der Winterthurer SVP, paktiert für den Wahlkampf mit der Jungen Tat. So offen hat die Partei die Nähe zu Rechtsextremen selten gesucht. Dabei ist das nur die Fortsetzung eines jahrzehntelangen Kalküls: Die SVP soll auch eine Partei für Rechtsextreme sein. Ein Blick zurück mit ausgewählten Beispielen.

Siebziger Jahre: Schwarzenbach

Wer in den frühen siebziger Jahren rechts an der SVP vorbeischielt, sieht James Schwarzenbach. Er gilt als der erste prominente Rechtspopulist in der Schweiz. Als junger Mann war der Zürcher Mitglied der faschistischen Nationalen Front, Ende der Sechziger wird er Nationalrat und Parteichef der Nationalen Aktion (NA, heute Schweizer Demokraten). Schwarzenbach pflegt Kontakte zur extremen Rechten, etwa zum Neofaschisten Gaston-Armand Amaudruz. Seine Initiative «gegen die Überfremdung von Volk und Heimat» scheitert 1970 zwar an der Urne, doch der Bundesrat reagiert mit einer Kommission «zur Behandlung des Überfremdungsproblems». Bei den Wahlen 1971 holt Schwarzenbachs NA vier Nationalratssitze. Sieben gehen an die Republikanische Partei, eine Absplitterung der NA. Sekretär der elfköpfigen Fraktion ist der junge Historiker Ulrich Schlüer, der zum engen Vertrauten Schwarzenbachs avanciert. Schlüer wird später als auf- und immer wieder ausfälliger Exponent der SVP sechzehn Jahre lang im Nationalrat sitzen. Der lancierte Überfremdungsdiskurs prägt die Ausrichtung der 1971 aus der Bauern- und Gewerbepartei hervorgegangenen Volkspartei. Und als die Republikanische Partei an Einfluss verliert, setzen sich wichtige Figuren ab – zur SVP.

Achtziger Jahre: Auns am Limit

Einem grossen Teil des traditionellen Milieus der SVP gefällt der von Schwarzenbach und der NA etablierte Neorassismus. 1982 redet der damalige Parteipräsident Fritz Hofmann von «unechten Flüchtlingen», die die Schweiz «überfluten» würden. Dass die SVP damit rechtsextreme Figuren anzieht, ist reines Kalkül, das aber als hehre Absicht verkauft wird: Hans Fehr, Chefideologe der Zürcher Sektion, behauptet, die Partei könne nur durch ein Umdenken – er meint eine Radikalisierung – in der Asylfrage den Einfluss extremer Gruppierungen eindämmen. Tatsächlich rutscht einfach die SVP nach rechts. Sie braucht Monate, um Ernst Dünnenberger, der sich an Veranstaltungen junger Neonazis zeigt und den Druck des antisemitischen Hetzblattes «Eidgenoss» übernimmt, aus der Partei auszuschliessen. Auch in der Auns, der 1986 gegründeten und von Christoph Blocher präsidierten Aktion für eine unabhängige und neutrale Schweiz, die später Stimmung gegen die neu eingeführte Antirassismus-Strafnorm macht, tummeln sich Rechtsextreme. Gaston-Armand Amaudruz etwa bleibt bis Mitte der neunziger Jahre Mitglied.

Derweil erreicht 1989 die Welle von Gewalttaten und Anschlägen gegen Asylsuchende einen vorläufigen Höhepunkt. Im selben Jahr demonstrieren Neonazis in Luzern zum ersten Mal in der Schweiz seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in aller Öffentlichkeit. Mittendrin, wieder: Amaudruz.

Neunziger Jahre: Weiter rechts nichts

Nach dem Fall der Berliner Mauer 1989 verlangt die Auns gemeinsam mit der Autopartei und der NA die Anwendung von Notrecht gegen den «Asylmissbrauch». Die von Christoph Blocher, dem Präsidenten der Zürcher Kantonalpartei, geprägte SVP verleiht dem rechtsradikalen Anliegen Gewicht, Gewaltakte gegen Geflüchtete und Ausländer:innen mehren sich. In dieser Zeit monopolisiert die Partei Begriffe, die die radikale und extreme Rechte in den Achtzigern geprägt hatte (zum Beispiel «kriminelle Asylanten»). Die EWR-Abstimmung von 1992 beschert der SVP den Durchbruch auf nationaler Ebene. Wie in anderen Ländern profitiert die Rechte auch von zunehmender ökonomischer Ungleichheit.

Christoph Blocher als Chefideologe formt die SVP in diesem Jahrzehnt zur rechtspopulistischen Sammelpartei. 1995 marschieren Skinheads mit Blocher an einer Kundgebung gegen die EU und die «Heimatmüden» durch die Zürcher Bahnhofstrasse. Wenige Jahre später hält der Milliardär eine Rede bei der Jungen SVP in Bülach, an der die Neonazizeitschrift «Morgenstern» verkauft wird, die wiederum Blochers Rede in der nächsten Ausgabe lobt. Mit der Zurückhaltung ist es vorbei: Blocher erklärt im Wahljahr 1999 in der NZZ unverblümt, rechts von der SVP dürfe es keine Partei mehr geben. Je rechter also, desto besser. Der Ende 1999 in den Nationalrat gewählte Parteikollege Christoph Mörgeli sekundiert ihn schon damals in einem Text in der «Weltwoche»: «Wen man beerben will, behandelt man so freundlich wie eine Erbtante.»

In den Neunzigern tritt auch der heutige SVP-Nationalrat Andreas Glarner erstmals auf dem nationalen Parkett in Erscheinung. Als damaliges Vorstandsmitglied der Aargauischen Vaterländischen Vereinigung und Koordinator des Schweizerischen Komitees für Freiheit und Unabhängigkeit vernetzt er sich europaweit mit Rechtsradikalen. Rechtsextreme Figuren wie der antisemitische Propagandist Pascal Junod oder Roger Etter, der die Waffen-SS verherrlicht, finden in der SVP ein Zuhause. So viel zu Blochers Plan, mit einem «massvollen, gesunden Patriotismus» dem «gefährlichen Extremismus» den Nährboden zu entziehen.

Nuller Jahre: Nah an der Pnos

Nach der Jahrtausendwende duldet die SVP die Nähe der im Jahr 2000 gegründeten rechtsextremen Partei Pnos und nimmt personelle Verbindungen zumindest vorübergehend in Kauf: etwa mit Dominic Lüthard, der 2004 die Helvetische Jugend (HJ) gründet, die Nachwuchsorganisation der Pnos. Lüthard wird später Mitglied der Freiheitspartei, ehe er diese verlässt und als SVP-Mitglied für den Berner Grossrat kandidiert. Die Partei schliesst ihn dann doch noch aus, Lüthard kehrt zur Pnos zurück. Der SVP dient er trotzdem: Im Abstimmungskampf zur Minarettinitiative 2010 wischt er mit einem Besen papierene Minarette von einer Schweizer Fahne – eine Anspielung auf ein Wahlplakat der Nationalen Front von 1933. Von der Pnos distanziert sich die SVP zwar, an einer SVP-Kundgebung 2017 laufen die Rechtsextremen trotzdem mit. Ehemalige Mitglieder sind heute bei der SVP.

Corona als Katalysator

Während der Covid-Pandemie entsteht 2020 eine Protestbewegung gegen die vom Bundesamt für Gesundheit verhängten Massnahmen, in der Rechtsextreme prominent Platz finden. Die Junge Tat etwa, die sich an einer Demo an die Spitze des Zugs setzt. Oder Mass-Voll, eine selbsternannte Jugendbewegung, die mit ihrem Gründer Nicolas Rimoldi immer mehr nach rechts rutscht. Die SVP biedert sich schon früh bei den Massnahmenkritiker:innen an. Exponent:innen der Partei besuchen Demos, halten Reden, der damalige Bundesrat Ueli Maurer lässt sich in einem Leibchen der «Freiheitstrychler» fotografieren.

Statt sich zu distanzieren, erfüllt die SVP Wünsche: Nachdem die Junge Tat 2022 in Zürich eine Drag-Queen-Vorlesestunde attackiert hat, fordert der SVP-Gemeinderat Samuel Balsiger im Zürcher Stadtparlament die Absetzung der Lesestunde. Tobias Lingg, einer der Köpfe der Jungen Tat, spricht in einem Gespräch mit dem ehemaligen Pnos-Mitglied Ignaz Bearth vom «ersten Erfolg mit der SVP». Der nationale SVP-Wahlkampfleiter Marcel Dettling empfiehlt seinen Kantonalparteien, für die bevorstehenden Parlamentswahlen Listenverbindungen mit Mass-Voll zu prüfen, in mehreren Kantonen kommen solche zustande. Und sie halten – auch nachdem Rimoldi in Österreich eine Veranstaltung der rechtsextremen Identitären Bewegung besucht und auf dem Rückweg ein Bild aus Adolf Hitlers Geburtsort Braunau am Inn postet. Selbst als Rimoldi gemeinsam mit der Jungen Tat in Chiasso einen «Grenzzaun» baut, distanziert sich die SVP nicht von ihrem Listenpartner.

Manuel Corchia, der Gründer der Jungen Tat, macht derweil Wahlkampfvideos für Maria Wegelin, die Präsidentin der Winterthurer SVP, und gestaltet Plakate der Jungen SVP Thurgau, bei der er Mitglied ist. Als diese seinen Ausschluss prüft, diskutieren Mitglieder, ob eine Distanzierung von offen rechtsextremen Gruppen nun notwendig oder nur «schwach» sei. Nachdem die Polizei bei mehreren Mitgliedern der Jungen Tat Hausdurchsuchungen durchgeführt hat, sammelt die Gruppe Spenden – und gibt an, Geld von Exponent:innen der SVP bekommen zu haben.

Neue Freunde, alte Liebe: Taucht in der Schweiz eine neue rechte Gruppierung auf, ist sie rasch mit der SVP vernetzt. Wie viele andere zuvor.

Literatur:

Peter Niggli, Jürg Frischknecht: «Rechte Seilschaften. Wie die ‹unheimlichen Patrioten› den Zusammenbruch des Kommunismus meisterten». Rotpunkt Verlag. Zürich 1998.

Marius Hildebrand: «Rechtspopulismus und Hegemonie. Der Aufstieg der SVP und die diskursive Transformation der politischen Schweiz». Transcript Verlag. Berlin 2017.

Hans Stutz: «Wo wir eines Tages die Macht übernehmen werden. Rechtsextremismus in der Schweiz». 2009. www.hans-stutz.ch.