Bundesratswahl: Alte Macht, neuer Ton

Nr. 50 –

Die Hoffnung auf ein Spektakel starb spät. Kaum war ein Geheimplan zerpflückt, kursierte der nächste, sei er noch so abwegig. Kaum je wurde so viel über eine Bundesratswahl geschrieben, leider auch viel Unnötiges. In der Kakofonie der Nebensächlichkeiten über die offiziellen SP-Kandidaten, neben den Wortmeldungen Christoph Blochers oder dem unverhohlenen Machtspiel des Bauernpräsidenten ging einmal mehr unter, dass sich eigentlich auch die Bisherigen einer Überprüfung durch das Parlament stellen müssten.

Es wäre an der Zeit gewesen, die neoliberal-rechtspopulistische Mehrheit im Bundesrat mindestens infrage zu stellen, im besseren Fall ihr Machtkartell aufzubrechen. Stattdessen erzielten die Minister:innen der FDP und SVP noch bessere Resultate als bei der letzten Wahl. Der neu gewählte SP-Bundesrat Beat Jans musste sich am Ende gegen Daniel Jositsch durchsetzen, den die Partei gar nicht nominiert hatte.

Dabei war vor der Wahl viel von Stabilität die Rede gewesen. Davon, dass auf «Parteispielchen» in konfliktreichen Zeiten zu verzichten sei. Was die viel gelobte Stabilität im Bundesrat bedeutet, zeigten in den letzten Jahren und Monaten die rechten Hardliner:innen: SVP-Bundesrat Albert Rösti arbeitet an einem AKW-Revival, will die Autobahn ausbauen und schwächt praktisch im Alleingang die SRG. FDP-Finanzministerin Karin Keller-Sutter spart ganz nach ihrem Gusto, etwa im Asyl- und Sozialbereich, und griff verfassungswidrig in den Abstimmungskampf um die Konzernverantwortungsinitiative ein (siehe WOZ Nr. 49/23). Stabilität heisst für den rechten Block in Parlament und Bundesrat vor allem anderen: Machterhalt für das Kapital.

Die Wahl vom Mittwoch zeigte, wie unbedingt dieser Wille zum Machterhalt ist: Mit der Drohung, Jositsch zu wählen, brachte die FDP Ignazio Cassis durch. Trotzdem hielten sich später siebzig rechte Parlamentarier:innen nicht ans SP-Ticket, als Cassis bereits in seinem Amt bestätigt war.

Nun ist es fürs Erste zentral, dass nach Alain Bersets Rücktritt das Schlüsseldepartement des Innern in sozialdemokratischer Hand bleibt. Die Sozialversicherungen und sozialen Institutionen stehen unter permanentem Druck, die Kosten des Gesundheitssystems werden zunehmend auf die Prämienzahler:innen abgewälzt. Gerade in der Gesundheitspolitik sind die Fronten verhärtet, mächtige Lobbygruppen sichern ihre Profite um jeden Preis, etwa durch die kommende Einführung eines einheitlichen Tarifsystems, das bei der Kostenübernahme medizinischer Leistungen alle Macht den Versicherern überlässt. In der Sozialpolitik stehen im kommenden Frühling die AHV-Abstimmungen an, die darüber entscheiden, ob die AHV mit einer 13. Rente aufgestockt oder das Rentenalter auf 66 Jahre erhöht wird – und damit schlechter bezahlte Arbeiter:innen weiter benachteiligt werden. Es geht also bald um sehr viel.

Umso stossender ist das Festhalten am Bisherigen: Für Menschen mit geringem Vermögen, für Menschen mit prekärem Aufenthaltsstatus ist dieses Land ein brutales Pflaster, materiell wie im Ton der Politik. Auch beim Durchschnitt ist das frei verfügbare Einkommen deutlich geschrumpft. Das scheinen viele Parlamentarier:innen zu vergessen: Der Status quo, den sie am Mittwoch in provokativer Gelassenheit wiederwählten, produziert viel unsichtbares Leid.

Umso wichtiger ist es, dass Elisabeth Baume-Schneider, die in ihrem ersten Amtsjahr zur Zielscheibe der Rechten geworden war, bei Asylpolitik und Bürger:innenrecht eine klare Strategie verfolgt. Und dass Beat Jans, selber aus einfachen Verhältnissen, den Kapitalvertreter:innen im Bundesrat die Stirn bietet, ihnen beibringt, dass Stabilität in allererster Linie soziale Sicherheit bedeutet. In seiner Antrittsrede zumindest schlug er einen neuen Ton an, pries Gemeinwesen, Allmenden und Genossenschaften. Der Bundesrat sei dem Wohlergehen seiner einzigen Chefin verpflichtet: der Bevölkerung. «Meine Türen stehen offen», versprach er.