Durch den Monat mit Franz Weber (Teil 1): Weshalb Einzelkämpfer?

Nr. 27 –

WOZ: Franz Weber, Sie haben sich in den letzten vierzig Jahren radikal für die Umwelt eingesetzt. Unter anderem haben Sie in den siebziger Jahren verhindert, dass das Weinanbaugebiet Lavaux am Genfersee überbaut wurde. Seit letzter Woche gehört das Lavaux zu den Unescogeschützten Welterben.
Franz Weber: Ja, das ist fantastisch! Ohne unsere damalige Kampagne gäbe es das Lavaux ja gar nicht mehr, es stünde dort eine Villa neben der andern, von Lausanne bis Vevey. Aber wir haben das verhindert, und jetzt ist es ein Welterbe der Unesco.

Ist das Umweltbewusstsein heute besser als noch vor dreissig Jahren?
Nein. Es hat eine ganz wahnsinnige Verflachung stattgefunden.

Wie meinen Sie das?
Es ist viel kaputt gemacht worden in den letzten Jahrzehnten. Aber die Leute sagen: Jö, es hat ja hier noch einen schönen Flecken und dort auch. Man gewöhnt sich an die Veränderung. Das Bewusstsein dafür, was schön ist und was nicht, hat sich verflacht.

Das menschliche Auge gewöhnt sich an die Verwüstung?
Ja. Dasselbe ist mit der Verschwendung und der Verschmutzung, es ist mit allem so. Die Leute sagen: Jaja, so schlimm ist es ja nicht, wir können ja immer noch atmen, und irgendwann wird sich sowieso alles zum Guten wenden, der Mensch ist ja sehr intelligent.

Was er ja auch ist.
Ja, und ich glaube auch, dass eine Generation heranwächst, die die Zerstörung stoppen wird. Wenn ich nicht daran glauben würde, müsste ich zusammenpacken.

Sehen Sie diese Generation schon?
Nein, ich warte immer noch. Merkt denn da niemand, was passiert?

Doch, die Leute, die Ihre Kampagnen unterstützen.
Das stimmt, ich habe viele Leute, die mir zur Seite stehen.

Aber Sie sind die treibende Kraft. Weshalb sind Sie als Einzelkämpfer mit ihrer Fondation oft erfolgreicher als Tausende, die gemeinsam auf der Strasse demonstrieren?
In der Schweiz haben wir demokratische Möglichkeiten: Initiativrecht und Referendumsrecht, die saumässig wichtig sind. Mit diesen kann man weit gehen. Und als ehemaliger Journalist weiss ich, wie man die Leute informieren muss. Das habe ich immer so gemacht: immer über die Information. In der ersten Kampagne, fürs Surlej im Engadin, fing alles mit einem Artikel an, den ich schrieb; für die damalige «Coop-Zeitung», weil alle anderen den Text nicht wollten.

Die mutigste Zeitung damals war die «Coop-Zeitung»?
Jaja. Und der Artikel hat wie eine Bombe eingeschlagen im Engadin.

Was ist dann passiert?
Die Engadiner sind zu mir gekommen, und zusammen haben wir einen Verein gegründet. Wir haben so gegen die Spekulanten gekämpft, Parzellen gekauft. Regelrecht eingekesselt haben wir die. So konnten wir ein ganz wunderbares Gebiet am Silvaplanersee schützen. Im Flecken Surlej ist zwar viel gebaut worden, aber vorne zum See hinunter ist dank unserer Kampagne alles schön erhalten und steht für immer unter Schutz.

Ihr Ton ist immer kämpferisch, man könnte auch sagen verbalradikal.
Das ist der einzige Ton, der zum Volk führt! Bei den Weinbauern im Lavaux zum Beispiel, wenn ich mich da auf Diskussionen eingelassen hätte, wären wir heute noch dran.

Letzte Woche luden Sie in Interlaken zum Kampf gegen das VBS ein, gegen die F/A-18-Flugzeuge, die die Region mit ihrem Lärm belasten. Sie schrieben, ich zitiere aus Ihrem Flugblatt: «... macht unser Leben zur Hölle». Das ist ja leicht übertrieben.
Ja, aber wenn jetzt eine F/A-18 hier drüberfliegen würde, dann könnten wir nicht mehr diskutieren ...

... auch das wäre noch nicht die Hölle.
Natürlich, jaja. Aber man muss es so bringen, wie man es empfindet, und man muss einfach draufgehen, draufgehen! Eine Sprache reden, die die Leute verstehen. Man sieht ja, was alles passiert, wenn man nicht aufsteht, nicht auf die Barrikaden steigt.

Ist Populismus das Erfolgsrezept?
Man muss natürlich auch daran glauben, dass man gewinnen wird. Eine Aktion muss hieb- und stichfest sein – was sie immer ist, wenn man für die Natur kämpft, denn das ist eine höhere Rechtslage – und sie muss im Interesse des Volkes sein, auf lange Sicht hinaus. Dann gewinnt man. Aber man muss alles einsetzen!

Die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger des Kantons St. Gallen haben sich letzten Monat gegen das Verbandsbeschwerderecht entschieden. Was würde es für den Umweltschutz bedeuten, wenn es zu einem Dominoeffekt käme und das Verbandsbeschwerderecht schweizweit abgeschafft würde?
Ja, dann müssen wir halt wieder eine neue Kampagne machen. Nur keine Angst, das biegen wir dann schon wieder zurecht.

Franz Weber kämpft aktuell – unterstützt von seiner Frau Judith und seiner Tochter Vera – gegen die F/A-18 und unter dem Motto «Rettet den Schweizer Boden» gegen den Bau von Ferienhäusern und landschaftszerstörenden Grossanlagen. Er feiert am 27. Juli [2007] seinen achtzigsten Geburtstag.