Solarausbau: Energie von jedem Dach

Nr. 48 –

Würden auf allen geeigneten Hausdächern und an allen Hausfassaden Solaranlangen installiert, hätte die Schweiz ihr Energieproblem gelöst. Doch der Ausbau kommt nur schleppend voran. Selbst im progressiven Zürich harzt es.

Die Lösung für eine saubere und nachhaltige Energieversorgung liegt im Kleinen. Auf all den Dächern der Häuser und ihren Fassaden. Gemäss dem Bundesamt für Energie könnte mit Solarpanels auf allen geeigneten Dächern und Fassaden mehr Strom produziert werden, als heute die ganze Schweiz verbraucht. Das Potenzial liegt bei 67 Terawattstunden (TWh). Dazu könnten Solaranlagen an Infrastrukturbauten wie Lärmschutzwänden, Parkplatzdächern, Lawinenverbauungen und Staumauern weitere 15 TWh liefern.

Doch wenn die Solaranlagen auf den Häusern und den Fassaden so zentral für eine nachhaltige Energieversorgung sind und Solarpanels dazu immer effizienter und billiger werden, wieso geht es mit deren Ausbau nur so harzig voran?

Dass es bei den Vergütungen klemmt, hat auch die Politik erkannt.

Eine Erklärung liegt im Glauben an die Marktwirtschaft. Lange galt das Prinzip: Wer auf seinem Dach eine Fotovoltaikanlage bauen will, der wird es dann schon machen, schliesslich ist es ja sinnvoll. Auch den Elektrizitätswerken überliess die Politik, wie viel sie für denjenigen Strom vergüten wollen, den Hausbesitzer:innen aus ihren Solaranlagen herausholen und nicht selber verbrauchen. Dies führte dazu, dass heute an einem Ort bis zu fünfmal so viel für den Strom bezahlt wird als an einem anderen. Während beispielsweise im Aargauer Buttwil die Einspeisevergütung knapp 6 Rappen pro Kilowattstunde beträgt, liegt sie in der Nachbargemeinde Schongau LU bei 31 Rappen.

Die Folge: Der Investitionsanreiz für viele Hausbesitzer:innen ist klein. Und jene, die in Solaranlagen investieren, nützen durchschnittlich nur die Hälfte der möglichen Dachflächen für die Sonnenstromgewinnung, wie Léonore Hälg von der Schweizerischen Energie-Stiftung weiss. Sie nutzen nicht alles, weil sie für den zusätzlichen Strom viel zu wenig kassieren würden. «Aus volkswirtschaftlicher Sicht ist das allerdings Blödsinn», sagt Hälg.

Zürich am Schluss

Besonders knausrig ist ausgerechnet das Elektrizitätswerk der Stadt Zürich (EWZ). Es zahlt gerade einmal 8 Rappen pro Kilowattstunde. Dabei will die Stadt bis 2040 klimaneutral sein. Bis heute sind in der Stadt nur 3,2 Prozent aller möglichen Dachflächen mit Solarpanels belegt. Damit liegt Zürich unter allen Deutschschweizer Städten an letzter Stelle. Georg Klingler, Solarexperte bei Greenpeace, kommentiert: «Das ist ein Zeichen von Politversagen.» Die Solarstrategie des EWZ bezeichnet Klingler als «grottenschlecht». So installiert der stadteigene Betrieb auf öffentlichen Gebäuden wie Schulen und Spitälern Solaranlagen, die er sich von Konsument:innen per Anteilschein finanzieren lässt und die dann als Gegenleistung eine entsprechende Menge Strom gutgeschrieben bekommen. Das sei eine «Solarvergoldungsstrategie», sagt Klingler, «die Angebote sind jeweils sofort ausverkauft». Das sei zwar schön und gut, doch damit werde der Bau von kleinen Solaranlagen auf den Dächern der Stadt nicht gefördert.

 

 

Beim EWZ kann man die Kritik von Klingler «nicht nachvollziehen». Die Strategie des Stadtrats sei ein «klares Zeichen für den Ausbau von Photovoltaik». Bis 2030 soll in der Stadt viermal mehr Solarstrom als heute produziert werden. Das EWZ sei mit dem Bürgerbeteiligungsprogramm ein «Solarpionier». Dass Zürich im Deutschschweizer Städtevergleich Schlusslicht ist, begründet das EWZ damit, dass es in der Stadt viele geschützte Gebäude und wenig Neubauten gebe. Auch seien viele ältere Gebäude für Solaranlagen «nicht geeignet». Zur Frage, weshalb in Zürich die Abnahmevergütung so tief ist, macht das EWZ keine Angaben, kündigt aber an, ab nächstem Jahr für Solarstrom etwas mehr zu zahlen. Auch sollen «zusätzliche Fördermittel» bereitgestellt werden. Ein entsprechender Stadtratsbeschluss werde noch im Dezember erwartet.

Hemmschuh Freiwilligkeit

Dass es bei den Vergütungen klemmt, hat auch die Politik erkannt: In Zürich forderte der Gemeinderat kürzlich mit einer dringlichen Motion ein neues Modell. Auch auf Bundesebene bewegt sich etwas: Im kommenden Frühling soll nach dem Ständerat auch der Nationalrat den sogenannten Energie-Mantelerlass beraten. Darin ist vorgesehen, dass es künftig eine Minimal- und eine Maximalvergütung für Strom aus privaten Solarpanels gibt.

Doch ob das reicht? Denn auch wenn der finanzielle Anreiz zum Bau einer Solaranlage auf dem Dach grösser wird, bleibt die Freiwilligkeit ein grosser Hemmschuh. Wieso sollen sich Besitzer:innen von Mehrfamilienhäusern den Aufwand machen und in den Bau einer Solaranlage investieren? Vom günstigeren Strom profitieren ja nur die Mieter:innen. «Wenn wegen der Hypothekarbelastung beim Bau oder Umbau eingespart werden soll, so wird zuerst auf die Solaranlage verzichtet», weiss Léonore Hälg.

Eine Möglichkeit, diese Hemmnisse zu überwinden, ist das sogenannte Contracting: Ein Anbieter stellt auf eigene Kosten eine Solaranlage auf ein Dach und kassiert die Einnahmen aus dem Stromverkauf. Der «Solarpionier» EWZ schreibt dazu, dass er «kurz vor der Lancierung eines zusätzlichen Angebots für Überbauungen und Genossenschaften» sei.

Basel geht voran

Auch wenn Solaranlagen für Hausbesitzer:innen künftig attraktiver werden könnten, geht alles viel zu langsam. Es braucht deshalb eine Solarpflicht. Diese Auffassung ist bis in bürgerliche Kreise durchgedrungen, obwohl der Hauseigentümerverband solche Ansinnen vehement ablehnt. Schon heute sehen einzelne Kantone bei Neubauten eine Pflicht zur nachhaltigen Stromerzeugung vor. Das Parlament hat im Herbst im Rahmen eines dringlichen Bundesbeschlusses diese Pflicht auch auf diejenigen Kantone ausgeweitet, in denen das bisher noch nicht vorgesehen ist. Allerdings gilt die Pflicht nun, auf Druck von rechts, nur für Neubauten mit einer Gebäudefläche von mehr als 300 Quadratmetern.

In einzelnen Kantonen will man aber noch wesentlich weiter gehen: So hat der Basler Grosse Rat schon vor einem Jahr eine generelle Solarpflicht für alle geeigneten Gebäude des Stadtkantons bis maximal in fünfzehn Jahren beschlossen. Der Regierungsrat muss allerdings noch ein entsprechendes Gesetz ausarbeiten. Im Kanton Zürich fordert die sogenannte Klimaallianz im Kantonsrat, die dort über eine knappe Mehrheit verfügt, mit einer parlamentarischen Initiative, dass bestehende Bauten in Industrie- und Gewerbezonen sowie öffentliche Bauten bis 2035 zwingend für die Solarstrom- oder Solarwärmeerzeugung nachzurüsten sind. Alle anderen Gebäude müssen bei grösseren Umbauten ebenfalls nachgerüstet werden. Im Kanton Bern wiederum ist eine Initiative hängig, die eine generelle Solarpflicht auf allen geeigneten Häusern bis 2040 vorsieht.

Basel ist voraus, Zürich trottet etwas hinterher, und auch Bern bewegt sich bei der Annahme der Initiative. Doch die Bürgerlichen bremsen, wo sie können. Dabei ist sonnenklar: Ohne eidgenössische Solarpflicht auf allen geeigneten Bauten wird die Energiewende nicht gelingen. Das weiss auch die Konferenz der kantonalen Energiedirektor:innen. Sie plant die Ausarbeitung entsprechender neuer Mustervorschriften. Doch das kann noch mehrere Jahre dauern. Und bis sie umgesetzt würden, geht weitere Zeit verloren.