100 Wörter: Keinerlei Ankerpunkte bieten

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Es war Zwindelbauch wichtig, stets nett und freundlich zu sein. Nicht etwa aus Nächstenliebe oder Respekt, ausser dem, den er tatsächlich für Menschen empfand, die ihm den Alltag erleichterten, also allen im weiteren Sinne Dienstleistungen erbringenden Menschen. Zu allen anderen war er aber stets nett und freundlich, um sofort wieder vergessen zu gehen und keinerlei Ankerpunkte zu bieten. Denn wer unfreundlich ist, verursacht Reibung und Reaktionen, die leicht zu einem vertieften Austausch führen, selbst wenn dieser nur in Gedanken stattfindet. Aufgrund des Negativitätsbias blieb eine unangenehme Person länger im Gedächtnis als eine nette, und diesen Umstand nutzte Zwindelbauch schamlos aus.

Stephan Pörtner ist Krimiautor («Köbi der Held», «Stirb, schöner Engel», «Mordgarten») und lebt in Zürich. Im Herbst 2019 ist sein neuster Köbi-Krimi, «Pöschwies», im Bilgerverlag erschienen. Für die WOZ schreibt er Geschichten, die aus exakt 100 Wörtern bestehen. Eine Auswahl unter dem Titel «100 Mal 100 Wörter» sowie «Mordgarten» und «Pöschwies» sind im WOZ-Shop www.woz.ch/shop als Buch erhältlich.