Durch den Monat mit Markus Schär (Teil 1): Wer kauft in Sambia Ihre Milchprodukte?

Nr. 9 –

Jahrelang arbeitete Markus Schär im Sommer auf Schweizer Alpen und im Winter als Redaktor einer Zeitschrift für biologische Landwirtschaft. Vor drei Jahren ging er nach Sambia, um sich dort für eine nichtpaternalistische Entwicklungszusammenarbeit zu engagieren.

Markus Schär: «Es ist nicht der richtige Ansatz, Bio für die Reichen zu produzieren. Gesunde, naturbelassene Lebensmittel sollten für alle erschwinglich sein.»

WOZ: Markus Schär, was heisst «personelle Entwicklungszusammenarbeit»?
Markus Schär: Das Konzept entspringt einer Vision für globale soziale Gerechtigkeit. Die Tätigkeiten zielen darauf ab, die Lebenssituation benachteiligter oder ausgeschlossener Bevölkerungsgruppen im Süden zu verbessern. Die Organisation Comundo, für die ich arbeite, unterstützt lokale Partnerorganisationen, die Bedarf an bestimmten Fachkräften anmelden, weil sie diese nicht bezahlen können oder weil das Know-how vor Ort fehlt. Comundo vermittelt die Fachkräfte und finanziert den Einsatz.

Die Projekte werden also nicht in der Schweiz entworfen?
Nein, Zielsetzung und Verantwortung liegen bei der lokalen Partnerorganisation. So entsprechen diese denn auch den Lebenszusammenhängen in den betreffenden Gebieten. Wichtig ist dabei das Konzept des «weltweiten Lernens»: Man geht nicht davon aus, dass wir im Westen mit unserem technokratischen Wissen die Lösung für alle Probleme haben, sondern dass lokale Ansätze entscheidend sind. Umso wichtiger ist es, dass die Fachpersonen für mindestens drei Jahre an einen Ort gehen und sich mit den lokalen Zusammenhängen auseinandersetzen.

Ihr Einsatz ist in Kasisi, ganz in der Nähe von Lusaka, der sambischen Hauptstadt. An was für einem Projekt beteiligen Sie sich?
Dort ist das Kasisi Agricultural Training Centre (KATC), betrieben von den Jesuiten der sambisch-malawischen Provinz. Das Zentrum hat zum Hauptziel, sambische Kleinbäuerinnen und -bauern in nachhaltiger Biolandwirtschaft auszubilden. Zudem gibt es hier auch einen Modellbetrieb für Ackerbau und Viehzucht mit einer Herde von etwa fünfzig Milchkühen.

Was haben Sie als externe Fachkraft einbringen können?
Unter anderem habe ich für das KATC ein Projekt umgesetzt: den Aufbau einer Produktionsstätte zur Milchverarbeitung. Vorgabe war, eine Grundlage zur Einkommensgenerierung zu schaffen, um das KATC von Spendengeldern unabhängiger zu machen. Die Milch wurde bislang an einen internationalen Verarbeiter verkauft. Dieser hat in Sambia grosse Marktmacht und drückt die Preise, die er an die Bauern und Bäuerinnen bezahlt. Darum haben wir mit Geld aus einem Crowdfunding eine Molkerei gebaut. Wir haben eine Zentrifuge gekauft und zwei ganz einfache Pasteure konstruiert. Jetzt produzieren wir dort Joghurt, Rahm und Käse.

Sie haben zuvor mehrere Jahre im Sommer als Älpler und in den restlichen Monaten für die Biozeitschrift «Kultur und Politik» gearbeitet. Warum der plötzliche Wechsel in die Entwicklungszusammenarbeit?
Als ich das Inserat von Comundo sah, dachte ich mir: Es wäre schön, auch mal etwas Längerfristiges zu machen. Sie suchten einen Biolandwirt oder Agronomen für drei Jahre. Ich bin eigentlich nicht so der Reisetyp, weil ich das Gefühl habe, beim Reisen nur sehr oberflächliche Eindrücke von einem Land und seiner Kultur zu erhalten. Da meldete ich mich, und nach einem halben Jahr mit vielen Vorbereitungskursen war ich bereit für den Abflug.

Hatten Sie Bedenken?
Natürlich habe ich eine kritische Haltung zur Mainstreamentwicklungshilfe, die im Sinne einer Pflästerlipolitik funktioniert. Schon früher war ich in globalisierungskritischen Kreisen aktiv, entsprechend betrachte ich das Nord-Süd-Gefälle als strukturelle Ungleichheit, die im globalen kapitalistischen System begründet ist. Gleichzeitig finde ich die personelle Entwicklungszusammenarbeit interessant, auch wenn sie vergleichsweise marginale Effekte erzielt. Denn es geht um einen direkten Austausch ohne paternalistischen Anspruch.

Wer sind die Abnehmer Ihrer Milchprodukte?
Bei der Konzipierung der Molkerei habe ich mir gedacht: Wenn es darum geht, Einkommen zu generieren, müssen wir auf eine kaufkräftige Kundschaft abzielen und hochwertige Produkte herstellen. Damit bedienen wir ein Hochpreissegment in einem Nischenmarkt, der vor allem weisse Abnehmerinnen und Abnehmer in der Hauptstadt hat. Dort besteht eine wachsende Nachfrage nach Bioprodukten.

Also in diesen grossen Shoppingmalls, von denen in Lusaka eine nach der anderen entsteht?
Nein, dort kommt man ohne Massenproduktion nicht rein. Dort werden Milchprodukte aus Südafrika und Europa verkauft. Wir beliefern eher kleine Öko- und Spezialitätenläden. Etwa einen kleinen Laden neben der American International School; dort kaufen die Expats gerne ein, wenn sie ihre verwöhnten Kinder mit dem Offroader zur Schule bringen.

Ein komisches Gefühl?
Ja, das ist für mich problematisch. Denn es ist nicht der richtige Ansatz, Bio für die Reichen zu produzieren: Gesunde, naturbelassene Lebensmittel sollten für alle erschwinglich sein. Gerade in einem armen Land wie Sambia befinde ich mich hier in einem Widerspruch. Aber ich sehe auch, dass das KATC damit seine Abhängigkeit von Spendengeldern senken kann. Und letztlich geht es ja darum, die Praxis der Biolandwirtschaft zu verbreiten. In Sambia gibt es dafür ein riesiges Potenzial.

Als politisch denkender Mensch findet sich Markus Schär (40) bei der Entwicklungszusammenarbeit manchmal in herausfordernden Situationen wieder. Dies gelte es auszuhalten, findet er.