Durch den Monat mit Vladimir Jankijevic (Teil 1): Wie hauchen Sie einer Computerfigur Leben ein?

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Der 3-D-Spezialist Vladimir Jankijevic war für den Film «Das kleine Gespenst» acht Monate mit der Animationsfigur «Uhu-Schuhu» beschäftigt. Er erklärt, warum das so lange gedauert hat und was nötig ist, damit ein totes Objekt Emotionen wecken kann.

«Man muss einen Gegenstand oder ein Tier genau beobachten und verstehen. Das braucht fast schauspielerisches Talent»: Vladimir Jankijevic in der Küche der Elephant Studios.

WOZ: Vladimir Jankijevic, Sie haben Fotografie studiert. Jetzt arbeiten Sie als 3-D-Animator für Filme. Wie ist es dazu gekommen?
Vladimir Jankijevic: Das war eigentlich umgekehrt. Seit ich acht Jahre alt bin, faszinieren mich dreidimensionale Animationen, und ich habe mich nächtelang damit beschäftigt. Als ich mich für eine Ausbildung entscheiden musste, gab es in der Schweiz noch keine Schule, die sich auf 3-D-Animation spezialisierte. Fotografie kommt aber am nächsten daran heran. Ich lernte ganz grundsätzliche Dinge: Wie macht man ein Bild? Was sind Bildkomposition, Objektiv und Filter? Diese Kenntnisse braucht man auch im 3-D-Bereich. Ich habe sie mir autodidaktisch neben dem Studium angeeignet.

Das letzte Projekt Ihrer Firma war die Arbeit am Film «Das kleine Gespenst», der zurzeit in den Kinos läuft. Was haben Sie da gemacht?
Wir haben verschiedene Computeranimationen erstellt. Unsere schwierigste Aufgabe war die Animation des Uhu-Schuhu, eines der Fabelwesen im Film. Das Filmteam hat einen echten Uhu gefilmt, wir haben dann den Kopf der Eule digital abgetrennt und ihn mit einer Animation ersetzt. Das erlaubte dem Vogel, den Kopf zu bewegen und zu sprechen. Wir waren ungefähr acht Monate mit dem Uhu-Schuhu beschäftigt.

So lange? Wie sah Ihre Arbeit an der Animation konkret aus?
Man kann sich so eine Animationsfigur vorstellen wie eine Marionette. Die hat ja oben ein Kreuz, mit dem man sie bewegen kann. Dann gibt es die Fäden, die Gelenke und die Marionette selbst. Auf die Animation übertragen gliedert sich diese Marionette in vier Arbeitsbereiche: Jemand baut das Modell für die Marionette, ein Zweiter setzt ihr Gelenke ein und bringt die Fäden an, und ein Dritter spielt dann mit der Marionette. Dann kommen Details hinzu, zum Beispiel Federn oder Haar. Dafür bin ich zuständig.

Dieser Uhu wirkt sehr echt. Wie gelingt es, dass eine Computerfigur so real wirkt, dass wir Empathie für sie empfinden?
Das ist ähnlich wie in der Fotografie. Ein Fotograf kann auch einem toten Objekt Leben einhauchen, indem er es im richtigen Licht und in der richtigen Stimmung inszeniert – so, dass es Emotionen weckt. Man muss einen Gegenstand oder ein Tier genau beobachten und verstehen, damit diese Emotionalität auf ein computergeneriertes Wesen übertragen werden kann. Das braucht fast schauspielerisches Talent. Es hat viel mit den Details zu tun. Der Glanz auf dem Schnabel, die Tränen in den Augen.

Im Zusammenhang mit Animation hört man oft das Wort «hyperrealistisch». Was heisst das?
Hm, ich weiss es nicht. Den Begriff kenne ich aus der Malerei. Das sind Bilder, die man nicht von einer Fotografie unterscheiden kann, oder? Das ist das Gleiche in der 3-D-Animation. Der Begriff ist natürlich paradox. Es gibt ja nichts, das noch realer ist als die Realität. Man kann aber Welten schaffen, die surreal sind, und das so überzeugend, dass sie real wirken.

Man nimmt also etwas, das es nicht gibt, zum Beispiel ein Gespenst, und stellt es sehr realistisch dar. Wieso muss man eine Märchenfigur so inszenieren, als wäre sie echt?
Weil die Menschen sich dann besser mit ihr identifizieren können. Sie suchen etwas, das sie kennen. Aber bei Animationsfilmen sind meine persönlichen Vorlieben die 2-D-Animationen. Zum Beispiel Hayao Miyazakis Filme. Die berühren mich viel mehr als die 3-D-Filme von vielen der grossen Produktionsfirmen. Auch wenn diese viel realistischer sind. Vielleicht wird der fehlende Inhalt in manchen Blockbustern mit sehr ansprechenden Bildern kompensiert.

Die Grenze zwischen «echten» Bildern und Computeranimation wird immer mehr verwischt. Wie verändert das die Art, wie wir Filme schauen?
Das kennen wir ja aus der Fotografie: Fotos von Models beispielsweise werden so bearbeitet, dass sie ein Ideal darstellen, das es so nicht gibt. Das führt schon zu einer verzerrten Wahrnehmung der Realität. Kinder, die «Das kleine Gespenst» schauen, haben sicher eine andere Vorstellung von einem Gespenst als Kinder, die, wie ich, mit Brad Silberlings und Phil Nibbelinks freundlichem Filmgeist Casper aufgewachsen sind. Und diese hatten wieder eine andere Vorstellung als die Leute, die mit dem Buch von Otfried Preussler aufgewachsen sind, wo gar keine Bilder vorproduziert sind. Man beeinflusst mit solchen Filmen die Wahrnehmung eines grossen Publikums. Ich möchte diese Entwicklung aber nicht werten.

Geht nicht eine gewisse Magie des Kinos verloren, wenn man alles darstellen kann?
Die Möglichkeiten sind ja immer noch begrenzt, nur nicht mehr durch die fehlende Technologie, sondern durch das Budget, denn diese Animationen sind sehr teuer. Schliesslich kommt es aber darauf an, wie man das Ziel eines Films definiert. Wenn man einen Vorgang möglichst detailliert zeigen möchte, dann ist diese Technologie toll. Um eine Emotion im Zuschauer zu wecken, ist sie aber vermutlich nicht ausreichend. Dazu braucht man komplexere filmische Mittel.

Vladimir Jankijevic (29) hat die 3-D-Animations-firma Elefant Studios im Jahr 2008 in Zürich mitgegründet und arbeitet dort als Technical Director. Obwohl in der Küche der Firma 
eine Playstation steht, spielt Jankijevic selbst keine Videospiele.