Energiepolitik: Im Wasserstoff­rausch

Nr. 14 –

Bei einer Kleinstadt in der französischen Lorraine strömt Wasserstoff in grossen Mengen aus dem Boden. Ist das eine unerschöpfliche Energiequelle? Die Region hofft auf wirtschaftlichen Aufschwung – vielleicht zu früh.

Illustration von Christoph Fischer: eine Bohrstelle für Wasserstoff aus der Erde

Nebelschwaden ziehen über die flachen Hügel zwischen Saint-Avold, Faulquemont und Folschviller, die Wiesen sind mit Frost bedeckt, und in der frühen Morgensonne ragt ein hoher Turm aus dem Nebel.

Der Puits de Folschviller, rostrot, der Maschinenraum des Förderturms wie ein breiter Hammer, wuchtig, erinnert daran, dass hier jahrzehntelang Kohle gefördert wurde. Die Kohleschichten ziehen sich von Metz in einem breiten Bogen weit ins deutsche Saarland hinein. Bis 1979 war die «tour marteau», der «Hammerturm», in Folschviller in Betrieb, förderte bis zu einer Million Tonnen Kohle pro Jahr. Dann war Schluss, aus Rentabilitätsgründen, und mit dem Ende der Kohleförderung versanken die Dörfer ganz im Osten Frankreichs in der Vergessenheit, einige sagen auch: in Armut.

Folschviller, heute noch knapp 4000 Einwohner:innen, Tendenz weiter sinkend. Eine Durchgangsstrasse, verwitterte Fassaden, leere Geschäfte, hier ein Tattoostudio, dort eine Tankstelle und ein Café, das «La Festive» heisst. Die Strassen haben tiefe Schlaglöcher, am meisten Betrieb gibt es in der Apotheke bei einem riesigen, leeren Parkplatz.

Aber seit ein paar Monaten ist Folschviller in den Schlagzeilen, Fernsehteams werden gesichtet, Reporter:innen sind unterwegs. Treffpunkt für die Medien ist der Parkplatz des Crédit Mutuel, von da geht es über einen holprigen Weg voller Pfützen zu einem umzäunten Feld, nur einen Steinwurf von den letzten Häusern entfernt. Drei Container, gelb und blau bemalt, ein Asphaltband dazwischen, eine Wetterstation, Klappbänke, sieht alles ein wenig improvisiert aus.

Hier steigt der Mann, dem die Aufmerksamkeit der Medien gilt, aus seinem Pick-up: Jacques Pironon, Mitte fünfzig, eine stämmige Figur, Geologe und Forschungsleiter am Laboratoire GeoRessources der Universität Lorraine.

Pironon ist «Monsieur hydrogène», er gilt, gemeinsam mit seinem Kollegen Philippe de Donato, als der Entdecker einer neuen Ressource, hier, im Untergrund von Folschviller: natürlicher Wasserstoff, sogenannter weisser Wasserstoff, der, wenn alles nach Wunsch läuft, hier aus dem Boden strömen und aufgefangen werden soll.

Illustration von Christoph Fischer: abstrakte Darstellung des Wasserstoff-Molekül und unterirdischen Lagerstätten

Ein Zufallsfund

Aber eigentlich war das mit dem Wasserstoff mehr ein Zufallsfund. Denn Pironon und de Donato haben hier ursprünglich nach Grubengas gebohrt, dem «gaz de charbon», das zu fast hundert Prozent aus Methan besteht. Das Gas hat sich in den alten Kohlegruben gesammelt und könnte, so die Berechnungen von La Française de l’Énergie (FDE), einer privaten Firma, die im Bereich der lokalen, «wenig kohlenstoffbelasteten Energien» tätig ist, den französischen Bedarf nach Erdgas für mindestens zehn Jahre sichern. Die FDE hat sich um die Konzession für die Förderung des Grubengases beworben, in Folschviller und andernorts; Pironon und de Donato wurden mit der Exploration beauftragt.

Die beiden fanden im Untergrund denn auch, wie erwartet, tonnenweise Methan, aber auch, ganz unverhofft, je tiefer sie kamen, immer grössere Mengen an Wasserstoff.

Und das alles wegen dieser Sonde. Sie wurde vom Laboratoire GeoRessources und der Firma Solexperts in Mönchaltorf entwickelt und sei, sagt Pironon, «einzigartig auf der Welt». In Folschviller kam sie zum ersten Mal zum Einsatz.

Wir stehen in einem der Container; die Sonde aus der Schweiz, metallisch glänzend, schwebt an einem Gestänge über dem Bohrloch. Sie funktioniert wie eine Kapsel, die in die Tiefe gelassen, dort geöffnet und mit den eingefangenen Gasen wieder in die Höhe gebracht wird; die Gase können dann mit einem Spektrometer im Labor analysiert werden. Ohne diese Sonde hätten sie, sagt Jacques Pironon, den Wasserstoff glatt übersehen. «Wasserstoff ist ein sehr flüchtiges Gas. Wenn man mit herkömmlichen Sonden in den Untergrund geht, die Gase direkt an die Oberfläche kommen lässt, verflüchtigt sich Wasserstoff möglicherweise, oder man geht fälschlicherweise davon aus, dass er sich von irgendwoher eingeschlichen hat, und vernachlässigt das. Bei der verwendeten Sonde aber sehen wir, was wirklich im Untergrund vorhanden ist.»

Zuerst hätten sie an einen Messfehler gedacht, sagt Pironon. «Aber dann fanden wir immer mehr davon; bei 600 Metern waren wir im Bereich der Kohleschichten, und da betrug der Anteil an Wasserstoff zwar erst ein Prozent, aber es überraschte uns dennoch. Bei 1250 Metern waren wir bereits bei zwanzig Prozent; da merkten wir, dass wir etwas Neuem, Unerwartetem auf der Spur waren.»

Im Untergrund von Folschviller könnten 250 Millionen Tonnen Wasserstoff liegen. Das wäre das weltweit grösste Vorkommen an weissem Wasserstoff, sagt Pironon – und ein Mehrfaches von dem, was die Welt zurzeit an Wasserstoff verbraucht.

Wasserstoff ist der Champagner unter den Energieträgern: mit einem dreimal so hohen Brennwert wie Erdgas, aber extrem flüchtig. Wasserstoff gilt als ökologisch, denn beim Verbrennen und beim Einsatz in einer Brennstoffzelle für die Stromerzeugung entsteht nur Wasserdampf. Aber Wasserstoff ist (bislang) sehr teuer und weit davon entfernt, ökologisch zu sein. Denn fast aller Wasserstoff, der bisher für industrielle Zwecke, auch für Antriebe, produziert wird, ist sogenannter grauer Wasserstoff. Er wird aus Erdöl oder Erdgas gewonnen, dabei wird viel CO₂ frei. Als klimafreundlicher gilt blauer Wasserstoff. Er wird gleich wie grauer hergestellt, doch das CO₂ wird eingefangen und gespeichert – ein Prozess, der teuer, energieintensiv und bisher nicht im grossen Stil möglich ist. Grüner Wasserstoff entsteht bei der Aufspaltung von Wasser unter Einsatz von Strom aus erneuerbaren Quellen.

Die Kosten variieren zwischen zwei Euro pro Kilogramm für grauen und sechs Euro für grünen Wasserstoff. Anthony Patt, Professor für Klimapolitik an der ETH Zürich, betont, dass alle diese Techniken entweder ineffizient oder ökologisch bedenklich sind. Denn frei werdender Wasserstoff hemmt den Abbau von Methan in der Atmosphäre, und Methan ist ein sehr potentes Treibhausgas. Ausserdem sei es extrem ineffizient, mit Ökostrom grünen Wasserstoff herzustellen und ihn dann etwa in einem Auto mit Brennstoffzelle zu nutzen, sagt Patt. «Ein Elektroauto mit Batterie braucht nur ein Drittel des Stroms eines Autos, das mit grünem Wasserstoff betrieben wird», sagt Patt.

Weisser Wasserstoff hingegen, der direkt aus dem Untergrund gewonnen und einzig von den anderen Gasen separiert werden muss, die dort vorkommen, könnte ein «Gamechanger» sein, sagt Patt. Denn hier fallen die Prozesse für die industrielle Herstellung weg; teuer sind allein die Bohrung und die Exploration. So könnte weisser Wasserstoff nach vorläufigen Berechnungen auf etwa einen Euro pro Kilogramm kommen. Doch Patt bleibt skeptisch: «Solar- und Windenergie sind an guten Standorten immer noch günstiger. Es wäre fatal, wenn wir deren Entwicklung einstellen würden, weil wir glauben, dass weisser Wasserstoff viel besser sein wird.»

Allerdings erneuert sich die Ressource weisser Wasserstoff ständig. Tief unten in der Erde gibt es «Wasserstoffküchen». In Folschviller, davon gehen Jacques Pironon und sein Team aus, befindet sich eine solche Küche unter den Kohleschichten, in einer Tiefe von etwa 3000 Metern und mehr. Da unten, bei Temperaturen von ungefähr 250 Grad Celsius, laufen komplexe chemische Prozesse ab; eisenhaltige Schichtungen oxidieren mit Wassereinschüben, dabei wird Wasserstoff frei. Nachgewiesen wurden auch die radioaktive Aufspaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff tief in der Erdkruste und Wasserstoff aus dem Erdkern, der an die Oberfläche gelangt. Alle diese Prozesse, so die ersten Ergebnisse von mittlerweile zahlreichen wissenschaftlichen Studien, werden ablaufen, solange es die Erde gibt. In der Erdkruste könnte so viel natürlicher Wasserstoff lagern und fortlaufend frei werden, dass der Energiebedarf der Menschheit für Tausende von Jahren gedeckt sein könnte, so die Prognose der Geological Society of America im Jahr 2022.

Jacques Pironon ist bei solchen Zahlen noch vorsichtig. Aber auch er gibt zu, dass man bei einem nie da gewesenen «Momentum» angelangt sei, als hätten Geolog:innen lange einfach nicht richtig hingeschaut und plötzlich den blinden Fleck entdeckt. Man habe zwar lange schon bemerkt, dass an vielen Orten Wasserstoff bis an die Erdoberfläche gelange – man erkenne die Stellen an den typischen flachen Kratern –, und tatsächlich wurde das Vorkommen von weissem Wasserstoff schon in geologischen Studien aus den 1940er Jahren belegt; dennoch hat man bei Messungen in Bohrlöchern «vergessen», nach Wasserstoff zu suchen.

Das Wunder von Bourakébougou

Das änderte sich erst 2018, als ein reicher Unternehmer und Politiker aus Mali, Aliou Boubacar Diallo, im «International Journal of Hydrogen Energy» ein Ereignis in einem malischen Dorf namens Bourakébougou, unweit der Hauptstadt Bamako, beschrieb. 1987 waren dort Bauarbeiter aufgefahren, um einen Brunnen zu graben; in 108 Metern Tiefe gaben sie auf, denn aus dem Loch kam kein Wasser, nur ein seltsamer, trockener Wind. Als ein Arbeiter einen letzten Blick ins Loch warf, eine Zigarette im Mund, gab es eine Explosion; der Mann überlebte, trug aber schwere Verbrennungen davon. Aus dem Loch loderte nun eine blaue Flamme, rauchfrei, die Menschen glaubten an einen Zauber; es dauerte mehrere Wochen, bis das das Feuer gelöscht, das Loch versiegelt war.

Erst 2007 kamen wieder Bauarbeiter ins Dorf, diesmal Angestellte von Petroma, einer Erdölfirma im Besitz von Aliou Boubacar Diallo, der als Erster verstanden hatte, was es mit der blauen Flamme auf sich hatte. Beigezogene Geolog:innen bestätigten rasch, dass aus dem Loch fast hundertprozentig reiner Wasserstoff entwich. Fünf Jahre später wurde im Dorf ein Generator installiert, der die Umgebung mit Strom versorgt. Petroma plant den Ausbau der Kapazitäten, Diallo spricht von einer «grünen Revolution» in Westafrika, von wasserstoffbetriebenen Autos, Flugzeugen, Brennstoffzellen für die Stromherstellung.

Der Beitrag über das «Wunder von Bourakébougou» führte zu einer Flut von wissenschaftlichen Studien, innert kürzester Zeit wurden weltweit Hunderte mögliche Wasserstoffquellen entdeckt und beschrieben, in den Pyrenäen, in der Wüste von Colorado, in Dubai, und die Zahl der Start-ups, die sich mit weissem Wasserstoff befassen, geht in die Tausende. Einzig die Erdölkonzerne, die ihr Geld mit der Herstellung von grauem Wasserstoff verdienen, wollen (noch) nichts von der Energiequelle wissen, die so munter und preisgünstig aus dem Boden zischen soll.

Éric Gaucher, von Beruf Geologe, Anfang fünfzig, hat bis 2021 in der Erdölindustrie gearbeitet, bei Total Energies. Er hat dort auch zu CO₂ und anderen Gasen geforscht und ist, über Umwege, auf den weissen Wasserstoff gestossen; aber Total wollte davon nichts wissen, und so wechselte Gaucher an die Universität Bern.

Dort erging es ihm wie einst bei Total – man teilte seine Begeisterung für Wasserstoff zu wenig, sein Forschungsprojekt wurde abgelehnt. Also gründete Gaucher seine eigene Firma, Lavoisier H2 Geoconsult, er wurde innert kürzester Zeit zum gefragten Experten in Sachen Wasserstoff und ist nun weltweit unterwegs, auf Kongressen und immer wieder im Feld, mit Sonden, Sonaren, Seismografen – auch in der Schweiz, in den Tälern des Unterengadins, des Wallis.

Gaucher sagt, wir müssten erst einmal mit Sicherheit wissen, wo genau die «Küchen» zu finden seien, diese Formationen, die Wasserstoff produzieren. Man befinde sich noch ganz am Anfang, betont er, deshalb sei er auch skeptisch, wenn er von «Projektionen» höre, wie sie etwa in Folschviller gemacht werden. Dennoch gehört auch Gaucher zu denen, die von einer unerschöpflichen Energiequelle ausgehen: «Ja, weil der Wasserstoff in diesen Küchen in relativ kurzen Zeiträumen freigesetzt wird, das geht viel schneller als bei der Entstehung von Erdöl, und es ist ein Prozess, der seit Millionen von Jahren abläuft. Wir haben in der Erdkruste eine fast unbegrenzte Menge an Eisen in Gesteinen, wir haben dort sehr hohe Temperaturen, in diesen Tiefen gibt es auch keine Bakterien mehr, die Wasserstoff aufnehmen könnten», sagt Gaucher. Allerdings gehe die Suche ins Geld. Bei Erdöl brauche es etwa zehn Bohrungen, um ein lohnendes Vorkommen zu entdecken, beim Wasserstoff müsse man mit zwanzig bis dreissig rechnen. Doch die Investitionen lohnten sich: «In den USA hat Bill Gates hundert Millionen Dollar in die Erforschung von Wasserstoff investiert. Wenn die Vorkommen einmal erschlossen sind, wird das rentieren.»

In Folschviller, am Bohrloch, senken die Techniker:innen die Sonde, ein Motor surrt, das Kabel wickelt sich von einer riesigen Trommel ab. Für Jacques Pironon ist das längst Routine, die Apparaturen sind so weit ausgereift, dass sein Team die Gaskonzentrationen auch im Institut in Nancy ablesen kann. Aber bald hat dieses Bohrloch ausgedient, für die nächste Bohrung bis in eine Tiefe von fünf Kilometern suchen Pironon und der Auftraggeber, die FDE, nach einem neuen Standort.

Die Erdölkonzerne warten zu

Derweilen muss Pironon vor allem eines tun: die Erwartungen dämpfen. Es gebe Leute im Städtchen, sagt er, die wollten gleich ihr Geld in Wasserstoff anlegen, andere hätten ihn gefragt, warum er denn nicht selber eine Firma gründe, wieder andere träumten von einer Wiederauferstehung der ganzen Region dank Wasserstoff.

Darauf setzt auch die FDE, die zuerst nach Grubengas gesucht und nun auf Wasserstoff umgestellt hat. Das mittelgrosse, börsenkotierte Unternehmen, das sich auf die lokale Energiegewinnung spezialisiert hat, mit Solaranlagen, mit Grubengas, ist auch in der Abscheidung von CO₂ tätig. Es hält Beteiligungen an Energieproduzenten in ganz Europa; letztes Jahr erzielte es einen Gewinn von zwölf Millionen Euro.

Noch hängt die FDE die Suche nach Wasserstoff nicht an die grosse Glocke, aber das Umfeld entwickelt sich günstig. In den Pyrenäen hat ein Konsortium unter dem Namen TBH2 den Zuschlag für Probebohrungen auf einer Fläche von 225 Quadratkilometern erhalten, die französische Regierung hat mit der «Stratégie nationale d’hydrogène» Wasserstoff zu einer nationalen Priorität gemacht.

Das freut auch den Bürgermeister von Folschviller, Didier Zimny. Und doch, sagt er, sei er «hin- und hergerissen». Denn einerseits, ja, «ist der Fund von Wasserstoff eine hoffnungsvolle Sache», andererseits aber betrachte er das Ganze noch immer «im Konditional».

Die ganze Region habe 150 Jahre Kohleförderung hinter sich und wisse, was es bedeute, wenn von einem Tag auf den anderen die Gruben schlössen, Tausende plötzlich auf der Strasse stünden. Deshalb, sagt Zimny, der sich politisch «in der Mitte» sieht, sei für ihn der alles entscheidende Punkt, wer von der neuen Ressource profitieren werde. Der Untergrund gehöre dem Staat, das stehe so im Gesetz, und das habe Präsident Emmanuel Macron auch immer wieder bekräftigt. Es brauche eine Neuauflage des früheren «Pacte minier», einen Vertrag, der festlegt, wie viel für das Unternehmen abfällt, das Ressourcen aus dem Untergrund fördert und vermarktet, und wie viel für die Gemeinde. Fünfzig Prozent der Gewinne, sagt Zimny, sollten es mindestens sein, wenn eines Tages für die Förderung von Wasserstoff eine Konzession erteilt werde. Und wenn diese Konzession eines Tages einem Unternehmen wie der FDE vergeben würde, sagt Zimny, dann wäre dieses «selbstverständlich willkommen», solange es «alle gesetzlichen Umweltauflagen erfüllt».

«Hochexplosiv und riskant»

Die Soziologin Marieke Stein, Aktivistin bei der Umweltorganisation Apel 57 mit Sitz in Nancy, ist skeptisch.

Sie befürchtet, dass die FDE die Vorhut für die grossen Erdölkonzerne ist, die noch zuwarten, ob der weisse Wasserstoff gewinnbringend gefördert werden kann. Total Energies beispielsweise ist bereits stark in der Produktion von grünem Wasserstoff engagiert, der Energiegigant ist beteiligt am raschen Aufbau einer Infrastruktur für den Transport von Wasserstoff in Frankreich und Europa. Shell setzt ebenfalls auf Wasserstoff, unter anderem, weil es mit diesem sein Tankstellennetz weiter betreiben könnte, und auch BP glaubt an Wasserstoff als längerfristige Alternative zu den fossilen Brennstoffen. Vorderhand liegt der Fokus auf grünem Wasserstoff, aber sobald sich der weisse Wasserstoff gewinnbringend vermarkten lasse, würden sie alle aufspringen, sagt Stein. Éric Gaucher, der jahrelang bei Total Energies gearbeitet hat, bestätigt das – Erdölkonzerne könnten «den Schalter von einem Tag auf den anderen umlegen».

Stein blickt auf viele Jahre der Auseinandersetzung mit der FDE zurück. Apel 57 hat sich gemeinsam mit weiteren Umweltorganisationen fünfzehn Jahre lang mit Aktionen, Besetzungen und Beschwerden gegen das Projekt der FDE gewehrt, in der Region Grubengas zu fördern. Letzten Sommer verweigerte das Umweltministerium dann der FDE die Konzession für die Förderung von Grubengas mit der Begründung, es gebe «unzählige Unsicherheiten in Bezug auf die technische Machbarkeit des Projekts». Ein Sieg für Apel 57, aber endgültig entschieden ist noch nichts, der Fall ist nun an Gerichten in Nancy und Strassburg hängig.

Marieke Stein sagt, es sei erstaunlich, wie schnell die FDE von Grubengas auf Wasserstoff umgeschaltet habe, sozusagen von einem Tag auf den anderen. Nun arbeite sie sich selbst in die Thematik Wasserstoff ein, auch da gebe es viele «Unsicherheiten». Nicht zuletzt misstraut Stein den euphorischen Zahlen. Vor allem aber treibe sie eine grundsätzliche Sorge um, nämlich, «dass wir mit der Förderung von weissem Wasserstoff genau wieder in die extraktive Logik hineinkommen, die wir beim Erdöl und beim Erdgas haben».

«Drill, baby, drill», jetzt einfach nach Wasserstoff? «So ist es. Wenn die Regierung nun so radikal auf Wasserstoff setzt, sehe ich die erneuerbaren Energien in Gefahr, denn warum soll man auf Wind und Solar setzen, wenn uns hier eine unerschöpfliche Energiequelle unter dem Boden versprochen wird?», sagt Stein. «Wasserstoff ist eine hochexplosive, riskante Energiequelle, die bei der Extraktion, beim Transport und auch bei der Handhabung alles andere als ungefährlich ist. Schliesslich kennen wir noch nicht alle Risiken, die Wasserstoff mit sich bringt. »

Und es ist auch keineswegs klar, in welcher Reinheit in Folschviller und Umgebung der weisse Wasserstoff aus dem Boden kommen wird, sprich: wie viel andere Gase da noch «mitkommen». Wie viel Methan beispielsweise, ein potentes Treibhausgas, das zwar als Treibstoff genutzt werden kann (aber dabei entsteht CO₂) oder irgendwie wieder ins Erdreich eingepresst werden müsste (was Kosten und Risiken in die Höhe triebe).

Keine leeren Versprechen mehr

Am Bohrloch bei Folschviller steht mitten auf dem Areal eine Überwachungskamera; sie wurde installiert, nachdem Unbekannte über den niedrigen Zaun gestiegen waren und «Spuren» hinterlassen hatten. Jacques Pironon will diese nicht genauer beschreiben; er sagt, das seien Proteste gegen die Suche nach dem Grubengas gewesen. Seit klar sei, dass sie nun nach Wasserstoff suchten, habe das aufgehört.

Aber er hat dennoch ein grundsätzliches Problem. Allgemein seien viele «tellement écolos» geworden, «so sehr ökologisch», dass sie jede Art von Bohrung zur Energiegewinnung grundsätzlich ablehnten, egal ob es um Grubengas gehe, um Wasserstoff oder Erdwärme. Selbst in der Wissenschaft hätten manche eine regelrechte «Phobie» gegen die «extraktive Energiegewinnung» entwickelt, alles nur wegen der erneuerbaren Energien; wer mit einem Bohrturm anrücke, habe «mehr als nur ein Imageproblem». Deshalb wagt Pironon auch keine Prognose für den Fall, dass eines Tages Total Energies, Elf Aquitaine oder Shell hier auftauchten; möglicherweise würden sie «sehr schlecht empfangen». Die Menschen in der Gegend hätten jedenfalls genug von leeren Versprechen. Die einzige praktikable, auch breit akzeptierte Lösung wäre, dass der Wasserstoff mit lokalen Partnerfirmen und kleinräumig gefördert würde.

Alles also noch unsicher, sagt Pironon und schaut hinüber zur «tour marteau», dem rostbraunen Förderturm, der wie ein Mahnmal auf dem Hügel steht.