Linke Politik nach dem Attentat: Taktisch denken, klug handeln

Die Angriffe auf das World Trade Center und das Pentagon werden auch die linke Kritik an der Globalisierung verändern.

Welche Militanz hat welchen Spielraum in der Antiglobalisierungs-Bewegung? Bis zum 11.9. war dies eine relevante Frage, die sich unter anderem auch daraus ergab, dass sich die Behörden damit beschäftigten. Etwa im Arbenz-Bericht über das World Economic Forum (Wef) 2001 in Davos oder im Bericht des Bundesamts für Polizei über das Gewaltpotenzial der Antiglobalisierungs-Bewegung. Die Polizei sieht sich hier mit einer Militanz konfrontiert, die nicht dazu ausreicht, den ganzen Repressionsapparat des Staats in Gang zu setzen.

Strassenkämpfe haben in den Metropolen der Industriestaaten eine gewisse Tradition – beide Seiten haben aber gelernt, das Gewaltpotenzial nicht über ein bestimmtes Mass ansteigen zu lassen. Ein blaues Auge oder ein eingeschlagener Zahn sind in den Kalküls inbegriffen. Mit dem Tod von Carlo Giuliani wurde in Genua allerdings diese Schwelle überschritten.

Die Antiglobalisierungsdemos von Seattle über Davos bis Genua haben nicht zuletzt aufgrund einer gewissen Militanz die Aufmerksamkeit der Medien erhalten. Und bislang hat sich die Bewegung nicht in eine friedliche Mehrheit und in eine gewalttätige Minderheit spalten lassen. Daran kauen die Sicherheitsbehörden schwer. Sie würden gerne einen Keil in die Szene treiben, die Friedfertigen zum pazifizierenden Dialog ans Katzentischchen laden und die Militanten kriminalisieren. Peter Arbenz hat diese Strategie vorgeschlagen – und auch die Bundespolizei.

Ist die Militanz der linken Bewegung nach den Terroranschlägen in den USA nun völlig obsolet? Werden nun alle GlobalisierungsgegnerInnen zu potenziellen Staatsfeinden erklärt und bis in den hintersten Winkel der Welt verfolgt? Die Anschläge spielen sicherlich den BefürworterInnen dieser Linie Argumente zu. Aber sie werden kaum ausreichen, um eine breite Bewegung zu diskreditieren. Reichen sie etwa aus, um die Augen vor der wachsenden Ungleichheit wieder zu verschliessen?

Bislang hat noch niemand die Verantwortung für die Anschläge übernommen. Insofern ist es müssig, darüber zu spekulieren, welcher konkrete politische Gewinn dabei herausspringen sollte. Dass die Antiglobalisierungs-Bewegung – wie sie sich nicht erst seit Chiapas etabliert hat – mit derlei Militarismus nichts zu tun hat, müssten sogar ihre konservativen GegnerInnen wissen. Es wird also nicht einfach sein, sie in diese Ecke zu drängen.

Aber die linke Bewegung muss sich in den kommenden Monaten stets bewusst sein, dass auch ihre Aktionen künftig vor dem Hintergrund der eingestürzten WTC-Türme stehen. So sollte es bei den Vorbereitungen zu den Protesten gegen das Wef in Davos 2002 ohnehin nicht darum gehen, die eigene (militante) Befindlichkeit in den Mittelpunkt zu stellen. Zu einfach sollte es den Herren der Welt schliesslich nicht gemacht werden.