Aufwertung in Winterthur: «Hier kann man noch leben»

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Rund 45 Leute wohnen das ganze Jahr über auf einem Campingplatz am Stadtrand von Winterthur. Jetzt soll das Gelände modernisiert werden.

Basil Tulinski mäht mit einem Aufsitz-Rasenmäher den Rasen auf dem Campingplatz
«Am liebsten möchte ich den Platz hier bis zur Pensionierung weiterbetreiben.» Basil Tulinski arbeitet seit zehn Jahren auf dem Camping.

Er stellt sich als der stellvertretende Geschäftsführer vor. Ausser Basil Tulinski arbeitet auf dem Campingplatz am Schützenweiher aber nur eine weitere Person: die Geschäftsführerin. Das ist Tulinskis Mutter.

Der Campingplatz liegt im Stadtviertel Veltheim am Rand von Winterthur. Hier geht der Siedlungsteppich in grüne Wiesen über. Am Horizont rauschen Autos über die A1. Der Weg zum Camping führt vorbei an einem ausserordentlich hässlichen Einkaufszentrum, dem «Schützenhaus» mit Restaurant und Dancing sowie einem Minigolfplatz, an dessen Eingang eine kleine Version der Freiheitsstatue steht. Und direkt dahinter liegt ein kleiner Tümpel namens Schützenweiher. Naherholungsgebiet nennt man das.

Und dieses Naherholungsgebiet Rosenberg soll aufgewertet werden. «Die wollen jetzt alles modernisieren hier», sagt Basil Tulinski. «Aber was mit den Leuten passiert, die hier wohnen – das interessiert niemanden.» Im Herbst 2025 läuft der Vertrag der aktuellen Pächter:innen mit der Stadt Winterthur, der das Areal gehört, aus. Die Neuausschreibung hat bereits stattgefunden. Geplant ist ein Neubau des Campingplatzes. «Als Planidee ist ein 4-Sterne-Campingplatz vorgesehen», hiess es in der Ausschreibung. Laut Winterthurer Richtplan sei die jetzige Infrastruktur «dringend sanierungsbedürftig». Tulinski bestreitet das: «Natürlich könnte man den Platz mal wieder renovieren, aber man muss ihn doch nicht gleich abreissen und neu bauen.» Und dass die Pacht und damit auch die Übernachtungskosten danach deutlich teurer werden, steht für Tulinski ausser Frage. Eine vierköpfige Familie bezahlt am Schützenweiher derzeit noch 51 Franken pro Nacht. Die Dauermiete des Stellplatzes kostet rund 550 Franken pro Monat.

«Machen, was du willst»

Seit siebzehn Jahren wird der Camping von Tulinskis Familie betrieben. Der 32-Jährige arbeitet schon seit zehn Jahren dort. In all diesen Jahren habe sich der Platz stark verändert, sagt er. «Früher wohnten vor allem Leute hier, die von der Sozialhilfe lebten und wenig Alternativen hatten.» Heute lebten die Bewohner:innen hier, weil sie sich dafür entschieden hätten.

Albert Meier, der seinen richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen will, ist einer von jenen, die hier noch neu sind. Erst vor gut einem halben Jahr hat er seine Sachen gepackt und sich fürs Leben im Wohnmobil entschieden. «Vier Jahre lang hatte ich mir das vorher überlegt», so Meier. Ausschlaggebend sei schliesslich eine «persönliche Situation» gewesen, erzählt er. Den Winter hat er durchgehend hier in Winterthur verbracht, jetzt bricht er bald auf, um im Sommer auf verschiedenen Plätzen in der ganzen Schweiz zu leben. Meier ist etwa fünfzig und berufstätig, arbeiten kann er grösstenteils von zu Hause aus.

«Es war eine super Entscheidung», sagt er. «Es macht Spass: Du kannst machen, was du willst.» Natürlich sei nicht alles immer einfach. Bei Minustemperaturen am Morgen zur Dusche zu laufen, sei hart, und Platz habe man auch nicht besonders viel. Umso schöner sei die Gemeinschaft: «Das sind einfach anständige Leute», findet er. «Und man hilft sich gegenseitig.» Rund 45 Personen wohnen hier das ganze Jahr über. Im Winter sind es jeweils noch etwa zwanzig mehr. Die Dauermietenden machen rund die Hälfte des Umsatzes des Campingplatzes aus. Eigentlich hätte gerade das jährliche Osterfest stattfinden sollen, zu dem die Betreiber:innen­familie jeweils einlud. Dieses Jahr fiel das Fest ins Wasser. «Angesichts der unsicheren Zukunft müssen wir sparen», sagt Tulinski.

Ein grüner Saum

Die Pläne sind Teil des langfristigen Stadtentwicklungsprojekts «Stadtrandpark». Winterthur ist schon jetzt mit einem grünen Saum versehen. Dieser sei ein «Alleinstellungsmerkmal» der Stadt, heisst es im aktuellen Legislaturprogramm, und soll nun zu einer Art Park weiterentwickelt werden, um dem zunehmenden Bedarf nach Erholungsflächen nachzukommen. Winterthur ist eine der am schnellsten wachsenden Grossstädte der Schweiz, eine Boomstadt.

Der Neubau des Campingplatzes ist einer der ersten Schritte hin zu diesem aufgewerteten Stadtrand. 4,77 Millionen Franken hat die Stadt dafür budgetiert. Vom Stadtparlament sei der Neubau noch nicht abgesegnet worden, sagt Kathrin Frei Glowatz, die für die Grünen in der Stadtbaukommission sitzt. «Ich kann mir aber nicht vorstellen, dass es grosse Kontroversen geben wird», so die Parlamentarierin. Und beim Stadtrandpark gehe es nicht nur um Naherholung, sondern auch um Biodiversität, sagt Frei Glowatz. Derzeit wird ein erheblicher Teil des grünen Saums von intensiver Landwirtschaft beansprucht.

ein Bewohner des Campingplatz vor seinem Wohnwagen-Vorbau welcher mit ZSC-Fahnen geschmückt ist
Muss die Fahne bald eingeholt werden? Dieser Freund des Einhockeys wohnt seit 13 Jahren auf dem Camping.

Eigentlich geht die Stadt bei der Entwicklung des Stadtrandparks vorsichtig vor. Direkt neben dem Campingplatz befinden sich etwa Schrebergärten, die erhalten werden sollen. Bloss von einer besseren «Durchwegung» ist im Richtplan die Rede. Den diversen Vereinsnutzungen im Naherholungsgebiet – etwa der Bogen- und Armbrustschütz:innen sowie des Modellbootvereins – trägt der Plan ebenfalls Rechnung. Die Aufwertung des Naherholungsgebiets Rosenberg sei aber erst in Erarbeitung, schreibt das Winterthurer Finanzdepartement auf Anfrage: «Wir werden zum gegebenen Zeitpunkt aktiv über den weiteren Projektverlauf und entsprechende Entscheide informieren.» Von diesen Entscheiden betroffen ist womöglich auch der nahe gelegene Durchgangsplatz für Fahrende. Fragen dazu beantwortet die Behörde keine.

Ausschreibung noch offen

Den Bewohner:innen des Campingplatzes ist Stand jetzt noch keine Anschlusslösung bekannt. Peter Frisch lässt es auf sich zukommen. Seit mehr als zwanzig Jahren wohnt der 69-Jährige schon am Schützenweiher, das ganze Jahr über. Er sitzt unter dem Vordach des Empfangsgebäudes, es nieselt und ist kühl. In einem Gehege gegenüber zwitschern Wellensittiche. Ihm gehe es um die Freiheit, sagt er: «Hier kann man noch leben.» Und die Anlage sei doch gut, so wie sie sei; wieso man sie neu bauen wolle, verstehe er nicht, sagt Frisch. «Das sind die Bürokraten, die den ganzen Tag irgendeine Idee haben.» Was er machen soll, wenn er hier gehen muss, weiss er noch nicht. Aber er sagt auch: «Wenn es wirklich ernst wird, werden wir uns vermutlich wehren.»

Noch ist es nicht so weit. Das Ergebnis der Neuausschreibung steht nach wie vor aus. Auch Basil Tulinski und seine Mutter haben sich darauf beworben. Hoffnungen machen sie sich nur wenig. Die Stadt verlangte in der Ausschreibung, dass sich die neuen Pächter:innen mit «zirka 1,5 Millionen Franken» finanziell am Neubau beteiligen. «Aber so viel Geld habe ich nicht einfach auf der Seite», sagt Tulinski. Dafür könne er Verlässlichkeit in die Waagschale werfen. «Am liebsten möchte ich den Platz hier bis zur Pensionierung weiterbetreiben», sagt er. «Das wären dann noch gut 35 Jahre.»