Im Affekt: Beyoncé beschützt ihren Boyfriend im Moshpit

Nr. 14 –

Dreh das Radio auf, der Sender heisst «Kntry Radio Texas», und der Host? Kein Geringerer als Countrylegende Willie Nelson, der in der Halbzeit kurz die Hand reicht, einen weiter tief hineinschickt in dieses Abenteuer US-Amerika, bestehend aus 24 Beyoncé-Songs, drei hochkarätig besetzten Jingles (nebst Nelson auch Linda Martell und Dolly Parton) und einigen weiteren Gastauftritten (Miley Cyrus). Ladies and Gentlemen: «Cowboy Carter».

Am besten funktioniert dieses aufgeregt erwartete Beyoncé-Album tatsächlich, wenn man es als eklektisch zusammengestellte Radiosendung nimmt: gekittet durch US-Musikgeschichte mit Ausflügen nach Tennessee, Louisiana, Texas, mit Ideen aus Country, Americana, Folk und allerhand weiteren Genres; oder wie es Linda Martell, Schwarze Country-Ikone, zum Auftakt von «Spaghettii» ankündigt: «Genres are a funny little concept» – «Spaghettii» kommt dann mit einem lustig-aggressiven Trapbeat daher. Wie eng Country mit anderen Strömungen verbunden ist, wird hier spielerisch gefeiert – wer will sich denn von den Konservativen den Spass verderben lassen?

Noch mehr davon? Zum Beispiel «Bodyguard», ein sorglos hingeworfenes Softrockstück – und Queen Beyoncé, die verspricht, ihren Boyfriend im Moshpit zu beschützen. Oder «Ya Ya», ein psychedelischer Funk-Soul-Reigen, inklusive grossartig eingesetztem Sample von Nancy Sinatras «These Boots Are Made for Walking». Der Job ist beschissen bezahlt, das Haus niedergebrannt, die Versicherung deckt nichts? Scheiss drauf, geh tanzen und vögeln, «ya-ya-ya-ya-ya, ya-ya-ya-ya-ya-ya». Nicht die Lösung von allem, aber in Sachen Nachhaltigkeit sicher nicht die schlechteste Idee: alles rausschütteln zu gehen, ein im Soul seit Jahrzehnten erprobtes Hausmittel.

«Cowboy Carter» ist zu lang, verrückt gut, tanzlustig und traurig, alles zusammen. Es gibt hier Platz für Schwarze Trauer und Wut über ein kaputtes Land wie für den golden-erhabenen Moment auf dem Tanzboden; den Stolz, die Melancholie, den Zusammenhalt.

Manchmal weisst du nicht, was du magst – bis jemand, dem du traust, «some real good shit» aufdreht, sagt Willie Nelson noch. Und ausserdem: «You’re welcome.»