Grossüberbauung: Der Besuch der Investoren aus den Niederlanden

Nr. 4 –

Seit Jahren wird in Oberried am Brienzersee an einem Luxusresort gebaut – ohne dass ein Ende absehbar ist. Im Dorf befürchtet man, einem gigantischen Schwindel aufgesessen zu sein.

Luxusapartmenthaus in Oberried
Wird das Resort ein Ferienparadies – oder bleiben nur Ruinen? Luxusapartmenthaus in Oberried.

Eine Frau in elegantem Kleid schaut von einer Terrasse auf das türkisblaue Wasser des Brienzersees und die wilde unverbaute Landschaft hinaus; ein Luxusauto fährt durch blühende Wiesen mit Ferienapartments; am Ufer ein exklusives Wellnessbecken, ein Bootshafen, ein Seerestaurant auf Stelzen: Das Werbevideo zum geplanten Florens Lake Resort & Spa in Oberried am Brienzersee richtet sich an die Upper Class.

Wer von Interlaken nach Oberried gelangt, erblickt an der Hauptstrasse vor dem Dorf einen kilometerlangen Bauzaun und eine Reihe dreieckiger, ineinander verschachtelter Rohbauten. Die überdimensionierte Überbauung mit den hingeklotzten Kästen sticht von weitem heraus – wie ein Mahnmal.

Auf Lawinen, die im Winter immer wieder mal neben dem Dorf hinunterdonnern, ist man in Oberried gefasst, nicht jedoch auf die Kräfte des grossen Geldes: Das Dorf mit seinen knapp 500 Einwohner:innen wird durch das Luxusresort richtiggehend erdrückt. Dabei ist das 150-Millionen-Megaprojekt, das auf dem 65 000-Quadratmeter-Gelände direkt am Seeufer seit 2009 in Planung ist, noch gar nicht fertig: Es ist bis heute eine riesige Baustelle, wo sich Geröllhaufen türmen. Ein Augenschein ist nicht möglich. Die zweifache Anfrage für einen Besuch des Areals bleibt von Miriam Malzkeit, die die Eigentümer vertritt, unbeantwortet.

Achtzehn Gebäude sollen hier, wo die Firma Hamberger bis 2013 Feuerwerkskörper herstellte, entstehen: Die geplanten 155 Luxuswohnungen und das Hotelrezeptionsgebäude sind hochgezogen. Der Bau des Seerestaurants, des Spa- und Wellnesskomplexes und des Bootshafens hat noch nicht einmal begonnen.

Grosse Versprechen

«Ich fühle mich je länger, je mehr fremd im Dorf», sagt Kaspar Ruef, ein Bewohner. «Das hat mit dem Luxusresort zu tun, aber auch mit dem Gemeindepräsidenten, der sich mehr um das Resort als um Oberried zu kümmern scheint.» Das ganze Projekt sei eine riesige Mogelpackung: «Das Resort wird Oberried in den Ruin stürzen.» Die Verantwortlichen für das Resort hätten der Bevölkerung in all den Jahren viele Versprechungen gemacht, doch bisher habe Oberried vor allem Kosten gesehen – etwa für die neu benötigte Infrastruktur –, die für die kleine Gemeinde in keinem Verhältnis stünden. «Wir haben keine Garantie, dass das Resort einmal Geld einbringen und dort je jemand wohnen wird.» Die ersten Gebäude würden schon bald verwittern.

«Die Bevölkerung wurde über den Tisch gezogen», sagt der ehemalige Banker Peter Ganz aus Oberried. Jetzt versuchten die Investoren, dem Dorf die Bedingungen zu diktieren. «Es hiess, es gebe ein Resort für alle.» Doch selbst das öffentlich zugängliche Hallenbad, das versprochen wurde, sei mittlerweile aus der Planung verschwunden. Und weder die in der ersten Bauetappe geforderte Hotelinfrastruktur noch der Uferweg sei realisiert worden, dafür aber die Apartmenthäuser der nachgelagerten Etappen.

Bei den Ferienapartments handelt es sich um «hotelmässig bewirtschaftete Wohnungen». Das heisst: Die Wohnungen sind einem Hotel angeschlossen und müssen in der Zeit vermietet werden, in der die Besitzer:innen keinen Eigenbedarf anmelden. Diese Wohnungen sind vom Zweitwohnungsgesetz und von der Lex Koller ausgenommen. Seit einem Grundsatzentscheid des Bundesamts für Justiz von 2008 können sie ohne Bewilligung an Personen im Ausland verkauft werden.

Einflussnahme auf Gesetzgebung

In Oberried gibt es einen kleinen Bahnhof, einen Dorfladen, eine Kirche, das Hotel-Restaurant Rössli und das Kurhotel Eden. Wer Oberried besucht, spaziert durch Gassen mit Chalets und historischen Holzhäusern, Gärten und vielen Brunnen.

Vor dem Dorf die Weite des Brienzersees, dahinter stotzige Wälder und Matten mit Wildblumen und wettergegerbten Ställen, die sich zum Augstmatthorn hinaufziehen, das direkt hinter Oberried aufragt. Ein kleiner, geruhsamer Ort. Doch seit sich der Niederländer Guido van Hoogdalem und seine Partner für die riesige Fläche am Ufer zu interessieren begannen, hat sich vieles verändert. Van Hoogdalem siedelte 2009 von den Niederlanden nach Bönigen bei Interlaken um und trieb die Planung des Resorts mit seiner First Projektmanagement AG voran – kurz nachdem der Lex-Koller-Schutzwall auch für hotelbetriebene Apartments aufgehoben worden war. First ist laut Firmenwebsite auf die Entwicklung von Luxusresorts und Hotels spezialisiert – und «darauf, Nicht-Schweizern eine Zweitwohnung in der Schweiz zu vermitteln». Weiter ist zu lesen: «Unser Engagement hat dazu beigetragen, dass ein spezielles Gesetz entworfen wurde, das den Zugang zum Besitz einer Zweitwohnung in der Schweiz erleichtert.» Die Firma vermittelt auch Apartments für den ägyptischen Investor Samih Sawiris, der in Andermatt ein gigantisches Resort hochgezogen hat. Kürzlich deckte der «Tages-Anzeiger» auf, dass dortige Wohnungen an Briefkastenfirmen aus Steueroasen verkauft wurden.

Im Januar 2012 informierten die Promotor:innen und Gemeindepräsident Andreas Oberli, der nach eigenen Worten zu den Mitentwicklern zählt, die Oberrieder:innen in der Turnhalle erstmals über das Resortprojekt. Von 130 000 Logiernächten und rund 250 000 Franken Kurtaxen pro Jahr war die Rede, von neuen Arbeitsplätzen und grosser Wertschöpfung für die Region.

Im November 2012 – nur acht Monate nach Annahme der Zweitwohnungsinitiative – stimmten die Oberrieder:innen mit 103 zu 7 Stimmen einer neuen Überbauungsordnung zu. Für das Resort, das mit dem Slogan «An ecological connection» wirbt, wurden im darauf folgenden Bauentscheid acht Ausnahmen bewilligt: für das Bauen ausserhalb der Bauzone, für zu kleine Abstände zu Wald und See sowie Eingriffe in die Uferschutzzone und die Lebensräume geschützter Tiere und Pflanzen. Seit der Abstimmung sind über zehn Jahre vergangen. Zuerst wurde verlautbart, das Resort werde 2015 eröffnet, dann eine Eröffnung für 2019, 2021, 2023 und schliesslich für 2024 angekündigt.

Das Projekt, das die Gemeinde annahm, ist heute nicht mehr dasselbe. Es gab so viele Änderungen, dass die Überbauungsordnung nachträglich bereits zweimal angepasst werden musste: So ist nicht nur das öffentliche Hallenbad aus der Planung verschwunden und einem 1200 Quadratmeter grossen Spa- und Wellnesskomplex gewichen. Auch das Bauvolumen wurde maximal ausgereizt.

«Der Ursprungsgedanke des in einem Architekturwettbewerb ausgewählten Projekts ist nur noch ansatzweise zu erkennen», sagt Christina Thöni vom Uferschutzverband Thuner- und Brienzersee. Das habe vor allem damit zu tun, dass in den über zehn Jahren die Investoren, Bauherrenvertreterinnen, Architekten und ausführenden Unternehmen gewechselt hätten. Der aktuelle Investor wünsche gar einen Zaun, sodass Uferweg und Areal nur beschränkt öffentlich zugänglich wären. «Das geht natürlich nicht», sagt Thöni. Der Uferweg sei rechtlich verankert.

Kürzlich sei zudem ein neues Baugesuch für eine grosse Generatoranlage mit Kamin eingegangen. Es wurde abgelehnt. Auch hätten die Architekten realisiert, dass auf den Dächern noch keine Solaranlagen eingeplant worden seien. Zuletzt fanden die Planer:innen heraus, dass die örtliche Kläranlage die Abwassermenge aus dem Resort nicht bewältigen kann. Geplant ist nun eine neue Leitung nach Interlaken – durch ein Quellgebiet und eine Trockenwiese von nationaler Bedeutung.

Bei so viel Planungschaos stellt sich die Frage, wer eigentlich das Bauprojekt beaufsichtigt. Aktuell sei ihm kein Sachverhalt im Zusammenhang mit dem Bau des Ferienresorts Oberried bekannt, der eine aufsichtsrechtliche Intervention erforderlich erscheinen lasse, sagt Martin Künzi, Regierungsstatthalter Interlaken-Oberhasli, und verweist auf die Gemeindebaupolizeibehörde Oberried. Auch das Bundesamt für Justiz als oberste Aufsichtsinstanz will sich zum Resort nicht äussern.

Kürzlich berichtete die «Berner Zeitung» von möglicherweise toxischen Abfällen der früheren Feuerwerksfabrik im Brienzersee. Für eine genaue Abklärung würden die Ressourcen fehlen, hiess es beim zuständigen Amt für Wasser und Abfall nur. Was sagen die Resortinhaber zu all den Missständen? Und zu den Befürchtungen, die in Oberried zu hören sind: dass statt eines belebten Ferienparadieses eine gigantische Bauruine entstehe? Miriam Malzkeit will keine Stellung nehmen. Sie bekräftigt bloss, dass das Resort öffentlich zugänglich sein werde und eine gesamthafte Eröffnung mit Wohneinheiten, Restaurants und Wellnesskomplex geplant sei. Gemeindepräsident Oberli will sich ebenfalls nicht zu den Fragen der WOZ äussern, auch nicht zu seiner Mehrfachfunktion als Gemeindepräsident, Bau­­­­­wesenverantwortlicher, Präsident der Baupolizeibehörde sowie Resortpromotor. Stattdessen verweist er auf eine Weihnachtskarte, die vom Florens Lake Resort & Spa an die Dorfbewohner:innen geschickt wurde. Darin ist von «Meilensteinen» und «Schlüsselmomenten» die Rede – sowie einem neuen Bauprojektmanagement. Wann wird das Resort endlich eröffnet? Dazu ist auf der Karte nichts zu erfahren.

Verwobene Finanzkonstrukte

Während auf der Baustelle immer wieder Stillstand herrscht, scheint hinter den Kulissen emsig an einem Finanzkonstrukt gebaut zu werden. Als Investor des Luxusresorts in Oberried figuriert das «Single Family Office» De Raekt BV in Luxemburg. Geschäftsführer ist der Niederländer Robert van Gansewinkel, der dieses 2020 von seinem verstorbenen Vater übernahm, dem Abfallmagnaten Leo van Gansewinkel. Gemäss Daten der «Paradise Papers» sind dem Unternehmen zwei Offshoregesellschaften in Malta zuzuordnen – als deren Direktor figuriert Paul Wehrens, der ehemalige Verwaltungsratspräsident der Lake Resort Interlaken AG Oberried.

Zur Holding gehörte bis Juni 2023 auch De Raekt Investments B. V., die gemäss Grundbuchamt die 71 Betriebsstättewohnungen des Resorts in Oberried erworben hat. Robert van Gansewinkel ist auch Geschäftsführer der Lake Resort Interlaken AG Oberried, der offiziellen Inhaberin des Resorts. Er hat sich die Wohnungen also selber verkauft. Wem er sie allenfalls weiterverkauft hat, ist nicht zu erfahren; Anfragen bleiben unbeantwortet.

Ein merkwürdiger Vorgang? Martin Hilti von Transparency International Schweiz äussert sich nur generell. Aber er sagt: «Im Schweizer Immobiliensektor bestehen Gesetzgebungslücken, was die Verhinderung von Geldwäscherei betrifft. Dies öffnet die Türen für illegale Gelder.» Eine Sitzgesellschaft als Eigentümerin einer Liegenschaft sei stets ein Alarmsignal für Geldwäscherei und verlange nach genauen Prüfungen. Mittels komplexer Konstrukte könne die Identität der wirtschaftlich berechtigten Personen verschleiert werden, warnte Transparency schon 2017 in einem Bericht.

Gibt die Weihnachtskarte vielleicht doch irgendeine Antwort auf all die offenen Fragen? «Weihnachten – eine Zeit, um die Vergangenheit zu ehren und die Gegenwart zu lieben», steht da noch in goldenen Lettern. Das Zitat stammt von Margaret Thatcher.