Pop: Aufreibend verhangen

Nr. 41 –

Album-Cover «Trip9love» von Tirzah
Tirzah: «Trip9love». Domino. 2023.

Wenn Tirzah so weitermacht, droht sie dann irgendwann im verworrenen Ungefähr zu verschwinden? Die Sängerin aus dem Südosten Londons gehört zur sympathischen Gruppe von Künstler:innen, deren Musik mit der Zeit nicht etwa sauberer, protziger, transparenter wird, sondern umgekehrt: körniger, brüchiger, dunkler. Zu hören ist das in der Entwicklung zwischen ihren umwerfenden Alben «Devotion» (2018) und «Colourgrade» (2021) und nun auch zu «Trip9love», das wie die ersten beiden in Zusammenarbeit mit Produzent:in und Weggefährt:in Mica Levi entstanden ist.

Die beiden radikalisieren ihre Low Fidelity hier nochmals. Geprägt wird das Album vor allem von zwei Instrumenten: einem dumpf scheppernden, verstimmten Piano und einer sich überschlagenden Drum Machine, die zwar jeweils etwas anders gemischt ist, aber offenbar durchgängig nicht nur denselben Sound, sondern sogar denselben Beat spielt.

Bei dieser bescheidenen Anordnung könnte einem schnell langweilig werden, aber im Gegenteil wirken diese Songs sofort wieder sehr einnehmend, gar bald schon seltsam vertraut. Manche glänzen in offensichtlicher Schönheit, wie «No Limit» mit Tirzahs verhalltem, aber fast schon hymnischem Gesang. Das gilt auch für das grosszügig tröstende «Stars». Ein Wiegenlied könnte das sein, es zeigt aber auch, wie präzise die musikalischen Konflikte hier gezeichnet sind: Das trapartige Hi-Hat zuckt überaus präsent vor dem zerstreuten, zerlegten Gesang, aber es transportiert keine Hektik, sondern macht die neblige Wärme der friedlich donnernden Gitarre nur noch anziehender.

«Trip9love» ist aber kein Kuschelpop, die Dämonen der aufgekratzten Grossstadt suchen die Songs zuverlässig heim. Das wankend absteigende Piano in «today» oder der wie aus einem Schacht hallende Gesang im Ausklang von «their Love» sind der blanke Horror. Es endet mit «nightmare», Tirzah singt hier wieder aufreibend verhangen, darüber ergiesst die heisere Gitarre ihre Klage.  

Live in: Bern Dampfzentrale, Full of Lava Festival, Do, 16. November 2023. Ganzes Programm: www.dampfzentrale.ch.