Sachbuch: Interne Kämpfe und westliches Schweigen

Nr. 38 –

Buchcover von «Russlands Kapitalismus. Die Zukunft des ‹System Putin›»
Felix Jaitner: «Russlands Kapitalismus. Die Zukunft des ‹System Putin›». VSA Verlag. Hamburg 2023. 184 Seiten. 26 Franken.

Russland stand in seiner jüngeren Geschichte mehrfach am Rand eines Bürgerkriegs und erlebte schwere Wirtschaftseinbrüche. Erst nach der Jahrtausendwende – unter dem Regime Wladimir Putins – begann der Wiederaufstieg der nun durch und durch kapitalistischen Grossmacht. Russland hat dabei längst den sowjetischen Traum einer voll entwickelten Wirtschaft aufgegeben, stattdessen prägt der Rohstoffexport das Land.

Dem Zusammenbruch der Sowjetunion und der schockartigen «Einführung des Kapitalismus» räumt Felix Jaitner in seiner Studie viel Platz ein. Nur in den beiden letzten Kapiteln und im Fazit befasst er sich mit dem titelgebenden «System Putin». Um dieses zu verstehen, so Jaitner, müsse man nicht primär die Person Putin ausleuchten, sondern vor allem den Machtblock analysieren, der sich nach 1991 formiert habe. Wichtig seien auch die inneren Widersprüche der eigenartigen Form des russischen Kapitalismus, der sich in dieser Zeit herausgebildet habe.

Damals wurde in Russland zudem um die Einführung der politischen Demokratie gekämpft. Jaitners Darstellung deutet dies als einen Kampf in der sich neu formierenden «herrschenden Klasse»: Der Aufstieg erst Boris Jelzins, dann Putins erscheint so als Folge von Machtkämpfen und Kompromissen zwischen Gruppierungen der «Elite». Deren Zusammensetzung veränderte sich gründlich: Vormalige Staatsfunktionäre, hohe Militärs und Geheimdienstoffiziere waren die Hauptprofiteure, aus ihren Reihen kamen viele der neuen «Oligarchen».

Mehr Aufmerksamkeit für geopolitische und historische Fakten hätten dem Buch aber nicht geschadet: Immerhin ist Russland eine imperiale Macht, die gerade versucht, verlorene Kolonien wieder zu erobern. Auch verfällt Jaitner immer wieder in marxistischen Jargon. Ein bemerkenswertes Faktum hebt er aber zu Recht hervor: Die westlichen Regierungen, allen voran die deutsche, begleiteten Russlands Entwicklung in den Autoritarismus über Jahre, ohne dass das Kritik provoziert hätte.