Auf allen Kanälen: Feministisch und sexy

Nr. 33 –

Das «Missy Magazine» feiert sein fünfzehnjähriges Bestehen. Und kämpft ums Überleben.

Missy Magazin

Am Anfang stand ein Glückskeks: «Wage das Unbekannte, es wird sich lohnen.» So lautete der Spruch, den Stephanie Lohaus an Silvester 2007 im Keks vorfand. Dieser ermutigte sie, mit Chris Köver und Sonja Eismann den Schritt zu machen. Gemeinsam gründeten sie 2008 das feministische Popmagazin «Missy Magazine». Vorbilder waren US-Zeitschriften wie «Bust» sowie die Riot Grrrls, Musikerinnen aus der amerikanischen Punkszene, die selber Fanzines bastelten und sich gegen den Sexismus im eigenen Umfeld wehrten. Feministisch und links, aber eben auch bunt, sexy und witzig sollte das neue Magazin sein – ein feministisches Magazin über Popkultur, kein feministisches Politikmagazin.

Vibrator im Selbsttest

So etwas gab es vor fünfzehn Jahren im deutschsprachigen Raum nicht, Feminismus war eine ernste, kämpferische Angelegenheit. Publizistisch prägte Alice Schwarzers «Emma» den Diskurs – Popkultur war kein Teil davon. Und die bunten «Frauenmagazine» waren nicht für ihre kritischen, feministischen Ansätze bekannt. «Nach dem Lesen eines solchen Hefts fühlt man sich als Frau eigentlich immer scheisse», sagte Eismann vor fünfzehn Jahren: Man habe das Gefühl, losziehen und sich irgendwelche Produkte kaufen zu müssen, damit das Leben besser werde.

Die «Missy» verzichtete bei ihrem Start im Herbst 2008 auf die üblichen Beautytipps oder Ratschläge, wie frau den perfekten Mann findet. Dafür gab es im bunt gestalteten Heft (und gibt es noch immer) eine Menge Popkultur, politische Reportagen, Mode und viel Sexpositivity: In den ersten Heften wurden Gleitmittel und Vibratoren getestet – der Slogan: «Feminismus ist geil».

Das Unbekannte zu wagen, lohnte sich. Nicht finanziell – die Mitarbeiterinnen arbeiteten zuerst unbezahlt, heute gibt es einen bescheidenen Einheitslohn –, doch das mit einer Auflage von 15 000 Stück gestartete Heft etablierte sich. Mittlerweile ist die Auflage doppelt so hoch, und die «Missy» hat sich als wichtige linke, feministische Stimme im deutschsprachigen Raum etabliert, die Debatten prägt und lanciert. So schrieb das Magazin bereits vor zehn Jahren: «Feminismus, welcher nicht intersektional ist, ist deswegen zum Scheitern verurteilt, da er bestimmte Diskriminierungen und Gefährdungen ignoriert und somit auch keine angemessenen, umfassenden Lösungen anbieten kann.» Heute sind über die Hälfte der Mitarbeiterinnen People of Color, auch trans und nonbinäre Autor:innen gehören zum Team.

Doch diesen Juli schlug die Redaktion Alarm: Mit dem Aufruf «Happy Birthday – du bist pleite» lancierte sie eine Rettungskampagne. Höhere Produktions-, Druck- und Vertriebskosten sowie die steigende Miete bringen das Magazin in finanzielle Nöte. Nelli Tügel (die auch für die WOZ schreibt) ist seit 1. Mai gemeinsam mit Marie Serah Ebcinoglu Ko-Chefredaktorin. Sie sagt: «Einerseits gibt es weniger Neuabonnent:innen, dazu kommen andererseits Kündigungen von bestehenden Abonnent:innen, die sich das Abo nicht mehr leisten können.» Da sich die «Missy» grösstenteils über diese Einnahmen finanziert, ist diese Entwicklung existenzgefährdend.

Die Rettungskampagne trug Früchte: Innerhalb von nur zwei Tagen fand das Magazin 1500 neue Abonnent:innen – die Produktionen der nächsten Ausgaben sind gesichert, doch nicht das langfristige Weiterbestehen. Die «Missy» kämpft mit denselben Problemen wie viele andere kleine linke Medien im deutschsprachigen Raum – während gleichzeitig neue rechte Medienplattformen gegründet werden, wie zum Beispiel «Nius» mit dem ehemaligen «Bild»-Chef Julian Reichelt, getragen von Grossfinanciers.

Feminismus im Mainstream

Konservative Strömungen sind im Aufwind und mit ihnen Misogynie, Transfeindlichkeit und Rassismus. Gleichzeitig ist der Feminismus im Mainstream angekommen: «Die politische Lage ist düsterer geworden», sagt Tügel. «Das spiegelt sich im Heft wider.» Das Spielerische sei noch immer wichtig, «aber der Ton ist ernsthafter». Dass der Feminismus heute selbstverständlicher ist als vor fünfzehn Jahren, begrüsst sie. Und sie ist überzeugt, dass es gerade deswegen umso dringender ein dezidiert linkes, kritisches Magazin wie die «Missy» braucht: «Es muss die Vereinnahmungsprozesse gegenüber dem Feminismus, die von vielen Seiten stattfinden, unbedingt kritisch begleiten.»