Abstimmung in Arosa: Streit im Hochgebirge

Nr. 19 –

Eine geplante neue Strasse entzweit den Bündner Ferienort Arosa. Siegen einmal mehr Geschäftsinteressen über den Naturschutz?

In Arosa sorgt ein vermeintlich alltägliches Geschäft für viel Streit. Oberhalb des Dorfes sollen eine neue Strasse gebaut, Waldflächen gerodet und ein paar neue Beschneiungsanlagen errichtet werden. An einem Ort, der vom intensiven Ski- und Bergtourismus lebt, nimmt man solche Eingriffe in Kauf. Aber seit die Pläne für die Zonenplanänderung öffentlich wurden, gehen in Arosa die Wogen hoch. Am Sonntag soll eine Abstimmung den Konflikt entscheiden.

Einige bezeichnen das Vorhaben der Gemeinde als Verschandelung der Natur. Oder als Eingriff, der nichts mit einem nachhaltigen Tourismuskonzept zu tun habe. Tatsächlich ist die Situation in Arosa für Graubünden nicht untypisch. Im Kontext sogenannter Meliorationen werden im Kanton Alp-, Forst- und Güterstrassen erneuert – mit jährlichen Kosten von rund 27 Millionen Franken. Häufig werden dabei Naturwege betoniert. Denn das ist auf Dauer günstiger und für die immer schwereren Fahrzeuge sicherer zu befahren. Doch die Natur leidet oft darunter.

Strasse ins Hochgebirge

Auch in Arosa ist eine geplante Betonstrasse Stein des Anstosses. Der sogenannte Scheitabodaweg soll neu vom Dorfkern durch den Wald zur Mittelstation der Weisshornbahn auf 2000 Metern über Meer führen und die bereits bestehende Arlenwaldstrasse ergänzen. Die Behörden argumentieren, so könne der Verkehr entflochten werden. Die Arlenwaldstrasse ist bisher die einzige geteerte Zufahrtsstrasse zur Mittelstation: Die Bergbahnen nutzen sie für Bau- und Revisionsarbeiten und die Alpbetriebe und Restaurants für Versorgungsfahrten. Gleichzeitig dient sie als einfacher Wanderweg, über den zum Beispiel das 2018 eröffnete Arosa Bärenland direkt neben der Mittelstation erreicht werden kann.

Diese Mehrfachnutzung führe gemäss Abstimmungsbotschaft immer wieder zu Konflikten. Die Idee der Gemeinde: Der Lastenverkehr wird fortan über die neue Strasse geführt, während man sich auf der alten unmotorisiert austoben darf.

Doch der in Arosa lebende Ted Scheidegger ist wenig begeistert. Mit der IG Naturweg Schanfigg setzt er sich für die Erhaltung der Landschaften im Tal ein. «Naturverträgliche Alternativen zur neuen Strasse wurden zu wenig geprüft», kritisiert er. «Mit einem besseren Verkehrskonzept bräuchte es gar keinen Neubau.» Und falls doch, könnte dieser wenigstens so naturverträglich wie möglich ausgestaltet werden. «Sicher nicht als Strasse für Vierzigtönner, wie das geplant ist.» Tatsächlich wäre der Scheitabodaweg im neuen Zonenplan für Fahrzeuge bis vierzig Tonnen zugelassen.

Auch Scheideggers Mitstreiter Martin Heinrich aus der Gemeinde Calfreisen sieht Widersprüche im Konzept der Gemeinde. «Durch die neue Strasse werden Feuchtgebiete gefährdet», sagt er. Ein Wanderweg führt heute bereits dort entlang, wo der Scheitabodaweg entstehen soll – und würde verschwinden. Zudem würde die Strasse direkt vor die Nase des Tourismusmagnets Bärenland gebaut. «Das ergibt doch keinen Sinn.»

Alternativen wurden geprüft

Mit diesen Vorwürfen kann Yvonne Altmann wenig anfangen. Die FDP-Politikerin ist seit 2020 die erste Gemeindepräsidentin von Arosa. «Der Tourismus ist unser Lebensnerv», erklärt sie. «Mit der Abstimmung stärken wir das Schneesportgebiet. Zudem betreffen die Anpassungen lediglich die bereits intensiv genutzte Seite des Tals.» Von Anfang an seien das Skigebiet und die Bergbahnen in Arosa weitsichtig geplant worden. Die Anlagen befänden sich auf der rechten, sonnigen Talseite. Auf der linken Seite herrsche noch weitgehend unberührte Natur. Das solle auch so bleiben.

Der Vorwurf, dass keine Alternativen geprüft wurden, erstaunt sie. «Die Arlenwaldstrasse ist als Zugangsstrasse suboptimal», sagt sie. «Es gibt dort immer wieder Rutschungen und umgestürzte Bäume.» Zudem sei die neue Variante die «umweltfreundlichste» und für die Anwohner:innen weniger belastend. «Im Moment führt der Verkehr zur Mittelstation durch Wohngebiete. Die neue Strasse wäre viel weniger lang.»

Auch Philipp Holenstein, CEO der Arosa Bergbahnen, hat wenig Verständnis für die Kritik. Den Abstimmungsflyer der IG Schanfigg nennt er gar «Effekthascherei». Auf dem Bild brummen schwere Lastwagen über die Alpweiden. «So etwas wird nie stattfinden», sagt er. «Die Kantonsstrasse von Chur ist bereits auf achtzehn Tonnen und maximal 2,30 Meter Breite beschränkt.» Da es aber durchaus mal einen Schwertransport geben könne, müssten auch die Zulassung und der Untergrund darauf ausgerichtet sein. «Ein Kiesweg ist hier völlig utopisch.» Er stört sich auch daran, dass nur die negativen Aspekte herausgegriffen würden. «Die bestehende Halfpipe soll renaturiert werden, und auch die Waldrodungen werden kompensiert.»

Dass sich die Wogen nach der Abstimmung glätten, ist unwahrscheinlich. Dabei gäbe es durchaus Schnittpunkte: «Arosa ist nicht nur ein Wintersportgebiet. Wir müssen schauen, dass sich die Attraktivität mittel- und langfristig steigert und erhalten bleibt», sagt Gegner Heinrich und tönt dabei fast ein bisschen wie Bergbahnchef Holenstein.