Diesseits von Gut und Böse: Das überhitzte Januarloch

Nr. 3 –

Fände das Australian Open etwas weiter nordwestlich statt, schmölzen vermutlich die Tennisschuhsohlen, und die Spieler:innen holten sich Brandblasen an den Füssen. Dann hätte die Irrsinnshitze, die zurzeit den Westen Australiens beherrscht, vielleicht mehr Schlagzeilen generiert als das juristische Gerangel um die Turnierteilnahme der ungeimpften Nummer eins – wobei noch mehr fast nicht möglich ist.

An der Westküste ist es so heiss wie seit über sechzig Jahren nicht mehr: 50,7 Grad Celsius. Die Angst vor Bränden wie vor zwei Jahren, bei denen Millionen Tiere getötet wurden, greift um sich; und für die Fachwelt steht der Zusammenhang mit der Klimaerwärmung fest.

Aber eben. Dass der derzeit weltbeste Tennisspieler mit falschen Papieren und ein bisschen Geschummele ins Land wollte, weil er sich nicht impfen lassen will, dominierte die Titelseiten. Dass er dabei von seiner Familie und wütenden Fans wahlweise zum Messias oder zum Lamm Gottes erklärt wurde, ist süffiger Stoff. Und kaum ein Medium verzichtete darauf, sich mit genüsslicher Herablassung Novak Djokovics Herkunftsland Serbien und dem dort verbreiteten Nationalismus zu widmen.

Dabei hat auch die Schweiz viel zu bieten: jede Menge Ungeimpfte mit nationalistischen Wahnideen, die sich zwar nicht für Jesus, aber für potenzielle Opfer eines geplanten Holocaust halten. Wenn eine:r von denen jetzt auch noch brillant Tennis spielte, würde ich für nichts garantieren.

Dem Serben wird zudem eine unappetitliche Nähe zu Kriegsverbrechern nachgesagt. Aber der Schweizer mit den kaputten Knien – einst der GOAT – zeigt mit seinen halbjährigen Aufenthalten in Dubai auch keine Berührungsängste gegenüber gewaltaffinen Herrscherhäusern.

Falls übrigens jemand Lust hat, am eigenen Balkanbild zu arbeiten, empfehle ich einen Beitrag von «10 vor 10»: Dort spielen junge Menschen aus den ehemals kriegführenden Ländern zusammen in einem Orchester – wunderschön!