Kost und Logis: Das Fremdputzparadox

Nr. 1 –

Karin Hoffsten über unerwartete Gefühle beim Saubermachen

Reinigungspersonal zu beschäftigen, gilt auch unter Linken kaum noch als anrüchig. Hauptsache, der putzende Mensch ist anständig versichert und hat einen angemessenen Lohn mit Ferienanspruch. Aber so einfach ist es nicht.

Meine Freundin Anne zum Beispiel wagte nie, eine Reinigungskraft zu engagieren, weil sie dann vorher aufräumen müsste: Eine Reinigung erfordere schliesslich beputzbare freie Flächen. So erledigte sie das Notwendigste halt selbst.

Kürzlich brach sie sich ein Bein. Als sie aus dem Spital entlassen wurde, empfahl ihr der Sozialdienst, während der Rekonvaleszenz den Reinigungsdienst der Spitex aufzubieten. Bis sie wieder fit sei, übernähme sogar eine Krankenzusatzversicherung die Kosten. Anne war das zwar peinlich, aber sie stimmte zu, denn die Mitarbeiterin beim Sozialdienst meinte, die Spitex interessiere ihre Unordnung gar nicht, dort sei man an vieles gewöhnt.

Den ersten Einsatz bestritt B., eine fröhliche Polin, die beim Vornamen genannt werden wollte. B. wusste genau, was sie wollte, wuselte schnell, gründlich und effizient durch die Wohnung, wies hin und wieder gut gelaunt darauf hin, welche Ecken sie sich gern bei einem nächsten Mal zusätzlich vornehmen würde, und hinterliess aufmunternd blitzende Flächen. Anne freute sich.

Dann kam Frau U., eine Schweizerin. Als sei die Wohnung ein Tatort, stattete sie sich mit blauen Schuhhüllen und einer sogenannten Überwurfschürze aus und bemerkte schon nach dem ersten Augenschein deprimiert: Diese Wohnung bedürfe eigentlich erst einer Grundreinigung, bevor hier der «kleine Wochenkehr» angesagt sei.

Als sie ging, hinterliess auch sie blitzende Flächen, war jedoch deutlich unglücklicher als ihre Vorgängerin. Wie einst als Jugendliche versank Anne im Gefühl, keine gute Hausfrau zu sein.

Zu ihrer Erleichterung klingelte nach zwei Wochen wieder die fröhliche B. Auf deren Frage, wie es ihr gehe, sagte Anne, gut! Sie sei ja geimpft und B. sicher auch, wie sie annehme. O nein, rief die, davor habe sie viel zu viel Angst! Und geriet, nachdem sich Anne die Bemerkung erlaubt hatte, die Spritze tue wirklich nicht weh, zunehmend ins Feuer.

Sie kenne mindestens acht Leute, die an der Impfung gestorben seien, das hätten unabhängige Ärzte bestätigt. Ein Kollege ihres Mannes sei jetzt gelähmt, eine Bekannte erblindet, und die habe demnächst eine Operation. Viele, viele Leute seien jetzt sehr, sehr krank!

Wenn B. zwischendurch Luft holte, versicherte Anne sie ihres Mitgefühls, scheiterte aber am Versuch, ihr nochmals nähere Erkundigungen zur Impfung nahezulegen. Anne gilt als Risikopatientin, weshalb sie sich bei der Spitex erkundigte, ob es auch geimpfte Mitarbeiter:innen gebe. Doch danach darf die Spitex als Arbeitgeberin gar nicht fragen.

Nun denkt Anne darüber nach, ob sie eine ungeputzte Wohnung eigentlich wirklich so schlimm findet.

Sollte Karin Hoffsten jemals eine Putzhilfe brauchen, wird sie diese auf der neu gegründeten Plattform autonomia-kooperative.ch suchen.