Kultour

Nr. 2 –

Konzert

Rummelsnuff

Man möchte diesem Typen nicht alleine begegnen, nicht mal dort, wo die Beleuchtung gut ist. Das grummlige Gesicht auf dem fleischigen Hals, diese Oberarme – der Typ ist sicher ein Schläger, sogar ein ganz übler!

Doch keine Angst: Rummelsnuff alias Roger Baptist ist nur ein netter Kerl, der mit rauer Stimme testosterongeladene Seemannslieder zum Besten gibt. Ab und an trägt er dazu ein paar Gummihörner, die aus einem futuristischen SM-Shop zu stammen scheinen – was seine Performance nur ein kleines bisschen skurriler macht. Wie ein als Lederkerl wiedergeborener Hans Albers besingt er über von Akkordeonklängen durchdrungenen Electropopbeats Schweiss, Blut, Öl, Männerfreundschaften und steife Brisen. Und wir erheben unseren Doppelkorn und grölen mit: «Ruhe vorm Sturm – Körperkontakt! Hirnlos, fruchtlos, treulos – nackt!»

Rummelsnuff in: Winterthur Kraftfeld, 
Fr, 9. Januar 2015, 21 Uhr; in: Zürich Helsinkiklub, 
Sa, 10. Januar 2015, 21 Uhr.

Armin Büttner

Kunst

Transform

Noch vor kurzem war in dem Gebäude das historische Erbe der SBB zu Hause: Im SBB Historic an der Bollwerkstrasse in Bern, gleich an den Gleisen und neben dem Bahnhof, wurden bis Oktober letzten Jahres Dokumente der Schweizer Bahngeschichte gesammelt, restauriert und archiviert. Was langfristig mit den nun leer stehenden Räumlichkeiten passiert, ist ungewiss. Kurzfristig werden sie jedoch genutzt: Während fünf Wochen arbeiten zehn Kunstschaffende und Kollektive aus den unterschiedlichsten Kunstsparten an der rund dreissig Meter langen Fensterfront und entwickeln in einer experimentellen Vorgehensweise zehn kreative Positionen zum sozialgeografischen Raum rings um die Lokalität.

«Transform – Versuchsanordnung 4» heisst das interdisziplinäre Kunstprojekt, das, wie der Titel verrät, bereits zum vierten Mal in Bern stattfindet. Gegründet haben es die Theaterschaffende Sibylle Heiniger und der Kunsthistoriker Franz Krähenbühl. Während einer begrenzten Zeit bespielen KünstlerInnen einen leer stehenden Raum oder einen öffentlichen Platz. An der Transformation in den ehemaligen SBB-Archiven beteiligt sind unter anderen Frads & Flück, Julian Sartorius, Haus am Gern sowie General Performances (Job Care Department): Martin Schick und Mirko Winkel.

Silvia Süess

«Transform – Versuchsanordnung 4» in: 
Bern Bollwerk 12, Fr, 9. Januar 2015, bis Di, 13. Februar 2015. www.transform.bz

Theater

Wildes Wissen, Vol. 2

Wer die Erstausgabe erlebt hat, weiss: Hier handelt es sich um eine Aufführung – genauer, eine Wissensshow – der etwas anderen Art. Der Wissenschaftsjournalist und WOZ-Autor Roland Fischer nimmt zwar aktuelle Forschungstrends auf, doch erst was er gemeinsam mit der Regisseurin Sophia Bodamer daraus macht, nimmt das Publikum tatsächlich mit an die «Frontier», den «Wilden Westen» der Wissenschaft. Und speist sich mitunter aus gar wunderlichen Quellen – etwa der Website TV Tropes, die wiederkehrende Motive in Film, Fernsehen, Literatur und Comic sammelt und bündelt.

Die Zweitauflage der Serie «Wildes Wissen» im Schauspielhaus Zürich folgt mit «Experten» wie Dr. Abuse den Spuren der Suche nach der ewigen Jugend. Bakterien können ihre Zellen unbegrenzt erneuern und sind unsterblich – warum nicht auch wir Menschen? Doch woher kommt diese Obsession mit der eigenen Unsterblichkeit? Wie wurde sie von wissenschaftlicher Propaganda genährt? Welche (mitunter absurden) Auswüchse hat sie gezeitigt? Und wie erstrebenswert ist sie eigentlich?

«Wildes Wissen, Vol. 2» in: Zürich Schauspielhaus-Kammer, Do, 8. Januar 2015, 20.30 Uhr. «Wildes Wissen, Vol. 3», Do, 5. Februar, 20.30 Uhr. Türöffnung jeweils 19.30 Uhr. www.schauspielhaus.ch

Franziska Meister

Film

Der Antiquar

Nicht nur in Bern war sein Buchantiquariat bekannt: Durch den 2004 erschienenen Roman «Nachtzug nach Lissabon» und dessen gleichnamige Verfilmung 2013 wurde der Laden von Jaime Romagosa weit über die Stadt hinaus berühmt. Denn der Protagonist in «Nachtzug nach Lissabon» erhält vom Antiquar am Hirschengraben ein Buch, das sein Leben verändern wird.

Jaime Romagosa ist heute fast neunzig Jahre alt. 2011 hat er nach vierzig Jahren sein Antiquariat aufgelöst. 25 000 Bücher umfasste die «Iberia». «Ich brauche keinen Onlinekatalog. Ich kenne jedes einzelne», sagte er vor drei Jahren im Gespräch mit dem «Bund».

Die Regisseurin Andrea Leila Kühni zeigt den Buchliebhaber inmitten seiner Bücher, seiner vollgestellten Regale, die er noch in einem Hinterraum in seinem ehemaligen Laden aufbewahrt. Er ordnet, stapelt um, blättert, ordnet neu ein. Wegwerfen möchte er nichts, denn, wie er sagt: «Kein Buch ist so schlecht, dass nicht irgendetwas drin ist, das noch einen Wert hat.»

«Der Antiquar am Hirschengraben» in: 
Bern Kino Kunstmuseum, So, 11. Januar 2015, 
11.30 Uhr, in Anwesenheit von Andrea Leila Kühni (Regie), Adi Blum (Musik) und Gerhard Meister (Text); Mo–Mi, 12.–14. Januar 2015, jeweils 17.30 Uhr 
in Anwesenheit der Regisseurin. 
www.kinokunstmuseum.ch

Silvia Süess