Editorial: Neue Filme, alte Träume und die inszenierte Schweiz

Nr. 4 –

In Filmen werden Handlungen meist von sichtbaren AkteurInnen ausgeführt. Der Umgang der RegisseurInnen mit ihren Figuren 
ist deshalb von grosser Bedeutung. Und er ist eine Herausforderung: «Du willst Nähe und diese auch im Film zeigen, gleichzeitig bist du als Filmemacherin dort und darfst das während der Dreharbeiten nie vergessen», sagt die Dokumentarfilmemacherin Anna Thommen. In einem grossen Interview sprechen Thommen, Valerie Gudenus, ebenfalls Dokumentarfilmerin, und die Kamerafrau Gabriela Betschart über den Balanceakt zwischen Nähe und Distanz von Dokumentarfilmschaffenden zu ihren Filmfiguren. Wie sie selbst diesen meistern, ist in ihren Filmen, die an der 49. Ausgabe der Solothurner Filmtage aufgeführt werden, zu sehen.

Die «Protagonistin Schweiz» steht hingegen im Mittelpunkt des Artikels von Bettina Spoerri. Sie untersucht anhand neuerer historischer Spielfilme, welches Bild der Schweiz in ihnen vermittelt wird und wie sich dieses Bild im Westschweizer Filmschaffen und im Deutschschweizer Filmschaffen unterscheidet. Ebenfalls um die historische Schweiz geht es im Spielfilm «Akte Grüninger», dem diesjährigen Eröffnungsfilm des Festivals. Stefan Keller zeigt in seinem Beitrag in dieser Beilage auf, was in der zwanzigjährigen Auseinandersetzung mit dem Fall des Flüchtlingshelfers Paul Grüninger passiert ist – bis dieser zur Spielfilmfigur wurde.

Ausserdem begibt sich die WOZ in dieser Beilage auf Spurensuche. Was ist mit den zwölf Menschen passiert, die vor dreizehn Jahren die Schauspielschule Bern besuchten? Wo sind sie heute? Haben sie ihre Träume verwirklicht?

Eine der wichtigsten Figuren der Schweizer Filmbranche schliesslich ist der oberste Filmförderer Ivo Kummer. Vor drei Jahren wechselte er von den Solothurner Filmtagen zum Bundesamt für Kultur. Nina Scheu hörte sich in der Branche um: Wie ist hier die Stimmung in Bezug auf den Filmchef?

Die Bilder zu dieser Beilage stammen von der WOZ-Fotografin 
Ursula Häne. Sie zeigen den Kostümdesigner Rudolf Jost bei der 
Arbeit in seinem Atelier in Zürich. Seit Jahren stattet Jost Film- 
und Theaterproduktionen mit Kleidern und Kostümen aus, in seinem Atelier hat er einen riesigen Fundus. Seine Arbeit ist für jeden Dreh unverzichtbar, denn: Auch Kleider machen Filmfiguren.