Medientagebuch: Taub geschossen

Nr. 22 –

Über Angriffe auf JournalistInnen.

JournalistIn heisst auf Griechisch «Dimosiografos», der oder die Volksbeschreibende. Doch bei Demonstrationen in Griechenland werden besonders linksorientierte JournalistInnen durch die Spezialtruppen der Polizei (MAT) daran gehindert, das Volk zu beschreiben. Die Tritte und Schläge, die die Polizisten der MAT – von denen jeder zweite, wie Umfragen ergaben, die faschistische Partei Xrisi Avgi wählt – den DemonstrantInnen verpassen, das Tränengas, das sie in die Menge sprühen – all das soll möglichst nicht dokumentiert werden. JournalistInnen, die ihren Job auf Demonstrationen und Kundgebungen machen, sind durch die MAT keinesfalls geschützt, sondern bedroht.

Im April haben MitarbeiterInnen der griechischen Massenmedien eine Kundgebung vor dem Bürgerschutzministerium in Athen veranstaltet. Ihr Protest richtete sich gegen die Polizeigewalt gegenüber JournalistInnen und FotografInnen im Umfeld einer Kundgebung am Vortag. Der Vorsitzende der Vereinigung der Fotoreporter Griechenlands (EFE), Marios Lolos, war dabei schwer verletzt worden.

Drei Wochen später versammeln sich JournalistInnen, FotografInnen sowie Dimitris Trimis, Präsident des griechischen Journalistenverbands, in einem Café im Zentrum Athens. Sie wollen sich über die jüngsten Vorfälle austauschen. Auch der 46-jährige Lolos – Jeans, T-Shirt, lange, graumelierte Haare, entspannter Gang – ist dabei. Lolos berichtet, er sei bei der Räumung des Syntagma-Platzes durch die Polizei von hinten mit einem Schlagstock am Kopf getroffen worden. «Es war deutlich zu erkennen gewesen, dass ich Fotoreporter bin», sagt er. Nach dem Schlag musste er sofort operiert werden; nun hat er eine zirka zehn Zentimeter lange Narbe am oberen Schädel und wird sein Leben lang eine Eisenplatte im Kopf tragen müssen.

Auch Journalist Manolis Kypreos sitzt mit in der Runde. Der 44-jährige Mann hat Schwierigkeiten, alle Gespräche mitzuverfolgen, denn er ist taub. Kypreos verlor am 15. Juni 2011 sein Gehör durch eine gezielte Attacke der Polizei. Er lernte Lippenlesen, da ihm die ÄrztInnen keine Hoffnung auf Besserung machten, doch im dämmrigen Licht der Bar fällt ihm das schwer. Er erzählt: «Ich befand mich damals auf einer Demonstration in der Nähe des Syntagma-Platzes und habe beobachtet und fotografiert, wie die Polizei mit Schlagstöcken und Tränengas gegen friedliche Demonstrierende vorging.» Als Polizisten ihm befahlen, das Fotografieren zu unterlassen, zeigte Kypreos dem Leiter der Truppe seinen Presseausweis. Die Polizei reagierte mit Beleidigungen. Während die Demonstration weiterging, stellte sich der erfahrene Reporter in eine Einfahrt. Einer der Polizisten, mit dem er zuvor gestritten hatte, warf daraufhin eine Blendgranate in die Einfahrt. Sie detonierte direkt neben Kypreos’ Kopf.

«Ich war schon in Kriegsgebieten, ausdenen ich berichtet habe. Klar kam es dort zu brenzligen Situationen. Aber wir Journalisten wurden nie direkt angegriffen. Ich hätte nie geglaubt, dass mir das in meiner Heimat passiert.» Kypreos hat die Polizisten damals fotografiert. Doch trotz Beweismaterial und gutem Anwalt wurde das Verfahren gegen sie nun eingestellt.

Der griechische Dachverband der Journalistenvereinigungen (Poesy) kritisiert das Vorgehen gegen die Presse auf das Schärfste und vermutet hinter den Angriffen einen gezielten Versuch, «Informationen zu manipulieren». Der Poesy warnt vor dem «Ende der Pressefreiheit» in Griechenland.

Theodora Mavropoulos schreibt 
für die WOZ aus Athen.