Alex Frei: Sugardaddy der Nation

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Der verletzte Stürmer ist Rekordtorschütze der Nationalmannschaft und trotzdem unbeliebt. Ein bisschen mehr Gelassenheit würde ihm guttun.


Wenn Fussballspieler ihren Abschied geben, bleiben neben Statistiken prägende Bilder zurück: Ciriaco Sforza, der seine Mitspieler herrisch herumdirigiert, Kubilay Türkyilmaz, wie er sich schlitzohrig am Gegner vorbeidribbelt, Stéphane Chapuisat im gelb-schwarzen Dress, der sich mit immer demselben Trick durch die Abwehrreihen spielt. Was aber wird vom bald 31-jährigen Alex Frei in Erinnerung bleiben, dem Captain und erfolgreichsten Torschützen der Nationalmannschaft? Wohl keines der 47 Tore für Rennes oder der 37 für Borussia Dortmund. Es dürfte auch keines der 5 Goals in den Qualifikationsspielen für die WM in Südafrika sein. Im kollektiven Gedächtnis sind andere Sequenzen gespeichert: Die Superzeitlupenaufnahme der Frei-Spucke im Match gegen England in Portugal 2004. Der weinende Frei nach dem Bänderriss im Eröffnungsspiel der Euro 08. Der auf dem Rasen sitzende Stürmer, nachdem er sich im letzten Training vor dem Flug nach Südafrika den Knöchel verstaucht hat.

Sucht man nach den Gründen, wieso einer der statistisch erfolgreichsten Schweizer Fussballspieler so wenige Sympathiepunkte verzeichnen kann, wird man nur teilweise auf dem Platz fündig. Klar, es gab die Szene, als Frei sein vierzigstes Tor für die Nationalmannschaft feierte und derart darauf bedacht war, dem Publikum vier Finger und die Faust für die Null entgegenzustrecken, dass er dabei Mitspieler Marco Padalino über den Haufen rannte. Padalino, der mit seinem Pass den Treffer überhaupt erst ermöglicht hatte. Und es gibt Erzählungen über seine Aversion gegenüber Mladen Petric, die der Grund sein soll, dass dieser sich für die kroatische und nicht für die Schweizer Nationalmannschaft entschieden hat.

Herr Tur Tur auf dem Platz

Doch das alles ist es nicht. Das Verhältnis der Anhänger zu Alex Frei entwickelte sich wie die Annäherung an den Scheinriesen in Michael Endes Kinderbuch «Jim Knopf». Wie Herr Tur Tur immer kleiner wird, je geringer die Distanz zu ihm ist, sinken Freis Sympathiewerte, je näher man ihn beobachten kann. Er war im bretonischen Rennes der kleine Schweizer, der sich gegen Trainer, die ihn nicht mochten, durchsetzte. Er war der Stürmer, der in Dortmund die Nachfolge von Chapuisat antrat und reüssierte, obwohl er weder schnell noch aussergewöhnlich technisch beschlagen ist.

Seit Alex Frei in Basel spielt, ist alles anders. Seither prägen Aussagen in Interviews das Bild. Wenn der Spieler auf das Rap-Video angesprochen wird, das er für einen Pommes-Chips-Fabrikanten drehte und in dem er in weissem Kunstpelz wie ein klischierter Sugardaddy gekleidet die Nationalhymne in bemerkenswert unrhythmischem Sprechgesang von sich gibt, reagiert er nicht mit einem lockeren Spruch und verweist auch nicht auf den guten Zweck der Aktion. Frei klagt einmal mehr, dass er es nie allen recht machen kann. «Wenn ich vier Tore schiesse, gibt es Leute, die sagen, ich hätte fünf machen müssen.»

Etwas mehr Gelassenheit!

Es ist diese penetrante Mischung aus Verbissenheit, Selbstmitleid und unverhohlenem Buhlen um Anerkennung, die sich in jedem zweiten Frei-Interview finden lässt. Man fragt sich unwillkürlich, wie die Welt beschaffen sein müsste, in der sich einer wie Frei bestätigt fühlt. Es ist keine besonders schöne Vorstellung. Dabei wäre alles ganz einfach: ein kleines bisschen Gelassenheit – immerhin ist vieles erreicht und das Karrierenende absehbar –, viel weniger aufgesetzter Patriotismus, und fertig ist ein durchaus sympathieträchtiges Rollenmodell. Aus gegebenem Anlass wäre es momentan das des tragischen Helden. Dieses Verletzungspech auch immer!