LeserInnenbriefe

Nr. 36 –

Zu SP-kritisch

«Sulzer-Hochhaus: Das ‹Unding› von Winterthur», WOZ Nr. 32/2019

Ja, auch ein Winterthurer kann in der WOZ etwas von Winterthur lernen, zum Beispiel über das Sulzer-Hochhaus. Er trifft auch auf Bekanntes – und stolpert darüber. «Das Anlocken guter SteuerzahlerInnen wurde unter der Regierung um SP-Stadtpräsident Ernst Wohlwend zur wichtigen Verwaltungsaufgabe ernannt. Sie gilt bis heute.» Als Beleg wird ein wohnpolitisches Papier von 2017 aufgeführt. Das Anlocken guter SteuerzahlerInnen als Verwaltungsaufgabe? Lässt das Baupolizeiamt Hochglanzprodukte drucken, führt das Finanzamt Werbetelefonate? Das tut die Verwaltung natürlich nicht. Wenn schon, ist das Anlocken sogenannten Steuersubstrats eine politische Aufgabe. Als das wohnpolitische Papier veröffentlicht wurde, war SP-Wohlwend allerdings schon seit fünf Jahren nicht mehr Stadtpräsident. Es wird suggeriert, er habe vor allem die Reichen hofiert. Er hat aber auch die Stadtplanung zur Chefsache ernannt, auf dem Sulzer-Areal Oberwinterthur den Eulachpark ermöglicht, eine Chance, die vielleicht alle hundert Jahre einmal kommt, und auch durch ihn wurden und werden auf den ehemaligen Sulzer-Arealen Oberwinterthur und Stadtmitte Hunderte von Genossenschaftswohnungen erstellt. Ich stelle nicht das erste Mal fest, dass die WOZ dazu neigt, bei SP-Leuten besonders genau hinzuschauen, und die journalistische Präzision manchmal etwas leidet, wenn dort Böses oder wenigstens Bürgerliches zutage gefördert wird. «Wer hat uns verraten? Die Sozialdemokraten!»

René Stauber, Winterthur

System Change

«Wirtschaftswachstum: Hauptsache mehr – egal wie und warum», WOZ Nr. 35/2019

Ich kann den kritischen Artikel zum hegemonialen Wirtschaftswachstum mit folgenden Thesen unterstützen, die ich auch an der SPS-Städtekonferenz zum Klimawandel vertreten habe: «In Ergänzung von BV Art. 2 (Zweck der Schweizer Eidgenossenschaft) fordern wir gemäss der im SPS-Parteiprogramm enthaltenen Forderung der ‹Überwindung des Kapitalismus›, die Bundesverfassung (BV) und unsere Rechtsordnung bis spätestens 2040 grundlegend folgendermassen zu reformieren: Alle Eigentumsarten und insbesondere das Grundeigentum sind dem Gemeinwohl, das heisst einer sozialen, gerechten, nachhaltigen und offenen Nutzung und Entwicklung verpflichtet. Dazu sind die relevanten Gesetze nach dem Grundsatz einer zunehmenden Wachstumsbegrenzung zu reformieren, das heisst insbesondere das Bevölkerungswachstum auf maximal zehn Millionen Menschen in der Schweiz zu beschränken, den öffentlichen Verkehr massiv zulasten des mobilen Privatverkehrs und Luftverkehrs auszubauen, Städte (mit bewilligten Ausnahmen) autofrei zu gestalten, alle Produkte rezyklierbar und energieeffizient herzustellen, den Konsum generell auf die lebenswichtig notwendigen Bedürfnisse zu beschränken und den Energieverbrauch auf eine 2000-Watt-Gesellschaft zu reduzieren.»

Ich bin mir bewusst, dass dies von uns allen grosse private und politische Anstrengungen bedingt, die wir auch mit wissenschaftlichen Forschungen und internationaler Zusammenarbeit anstreben müssen.

Wie bei der AHV, dem Frauenstreik, der Erbschaftssteuer und allen grundlegenden Initiativen benötigen wir auch hier mehrere Anläufe und ein anhaltendes, kritisches Engagement. Selbstverständlich brauchen wir gegen die kapitalistische Hegemonie zudem einen grundlegenden Bewusstseins- und Verhaltenswandel, der auch mit einem Verzicht auf unseren überflüssigen Konsum in den reichen Ländern verbunden ist, ohne dabei aber unsere reale Lebensqualität reduzieren zu müssen.

Werner Kallenberger, Zürich