Auf allen Kanälen: Die Simpsons gründen eine Gewerkschaft

Nr. 34 –

Means TV will das Entertainment neu definieren: von der Arbeiterklasse für die Arbeiterklasse.

Eine andere Welt ist möglich. Das behauptet die globalisierungskritische Bewegung seit Jahren. Andere Unterhaltung auch? Natürlich! Zumindest verspricht das ein Slogan von Means TV, dem selbsterklärten Netflix für die Arbeiterklasse. Der Streamingdienst aus den USA befindet sich derzeit noch im Aufbau, macht aber schon mit entsprechenden Ankündigungen von sich reden: «A better world is possible. Better entertainment is too.»

Wenn man von der bunten Illustration auf dem Twitter-Account von Means TV ausgeht, wird diese Welt ein Schlaraffenland, in dem Barbapapa-Lookalikes auf Wiesen und in Wäldern leben. In den Baumkronen hängen blütenumrankte Bildschirme mit dem zackigen Logo des Senders.

Hinter der Idee des Streamingdienstes stecken Naomi Burton und Nick Hayes. Sie ist etwas mehr als zwanzig Jahre alt, er geht gegen die dreissig. Die beiden leben in Detroit und beenden E-Mails mit dem Abschiedsgruss «solidarity». Sie sind nach dem Wahlerfolg von Donald Trump den Democratic Socialists of America (DSA) beigetreten – wie viele andere junge Menschen auch. Die Bewegung erlebt seit 2016 durch den Trump-Effekt und die Galionsfigur Bernie Sanders einen beispiellosen Zulauf.

Erfolgreich für Ocasio-Cortez

Burton und Hayes hatten zuvor in Medienagenturen gearbeitet und wollten mit einer eigenen Produktionsfirma im politischen Feld aktiv werden. «Wir haben im Grunde Propaganda für grosse Konzerne gemacht», erklärt Naomi Burton im Gespräch, «bis uns klar wurde, dass wir diese Ressourcen und unsere Expertise auch für die Linke einsetzen können.» Ihre eigene Medienplattform heisst «Means of Production» und ist als Genossenschaft organisiert. Sie war verantwortlich für den Spot, der den Wahlkampf der New Yorker Politikerin Alexandria Ocasio-Cortez beflügelte. Diese zog als bisher jüngste Abgeordnete und Mitglied der DSA ins Repräsentantenhaus ein, gegen das Establishment der Demokratischen Partei.

Burton und Hayes wollen auch der Dominanz der Grosskonzerne im Mediensektor etwas entgegensetzen. Nach der erfolgreichen Kampagne für Ocasio-Cortez und weitere US-PolitikerInnen fokussieren sie nun auf Entertainment: Anfang 2020 soll Means TV seinen Betrieb aufnehmen, ein explizit antikapitalistischer Streamingdienst, der die Produktionsmittel und die Unterhaltung zurück in die Hände der Arbeiterklasse holen soll. «Unser Ansatz ist: Lass uns Leute aus der Arbeiterklasse hinter und vor die Kamera stellen!», erklärte Nick Hayes im Vorfeld einer Spendenkampagne für Means TV. «Lass uns Unterhaltung machen, die auch die arbeitende Bevölkerung lustig findet! Manchmal gehört dazu eben auch, sich über einen Milliardär lustig zu machen.»

Comedy zur Aufklärung

Im Zuge der Kampagne sind seit einigen Wochen erste Inhalte zugänglich. Das Programm soll sich an populären Formaten orientieren, sagen Burton und Hayes, aber aus einer anderen Perspektive berichten. Geplant sind unter anderem Talkshows, Zeichentrickserien und Dokumentationen. Serien wie «The Office» und «Die Simpsons» werden als Vorbilder genannt. Inhaltlich könnte es darum gehen, dass ArbeiterInnen einen Betriebsrat gründen oder dass sich eine Familie nach dem Ende des Kapitalismus im Alltag beweisen muss.

Die ersten Beispiele setzen vor allem auf Stand-up-Comedy und Kurzformate für politische Aufklärung. So erklärt die Komikerin Sara June in einem der meistgesehenen Clips, was sozialistischer Feminismus bedeutet. Ein Video mit dem Titel «Working From Home» erzählt ironisch zugespitzt, wie ein ehemaliger Profigamer nach einem Unfall sein Geld verdient: Für einen privaten Drohnendienstleister zerstört er von zu Hause aus Ziele im Jemen – mit einem Playstation-Controller.

Die Inhalte sind pointiert und bissig. Vom Hype um das Wort «Sozialismus» scheint Means TV bisher aber kaum zu profitieren. Die Website weist derzeit knapp 4500 UnterstützerInnen und 116 000 US-Dollar an zugesagten Spenden aus. Eine halbe Million ist das erklärte Ziel, um das Programm für das erste Jahr zu finanzieren, das für AbonnentInnen zehn Dollar im Monat kosten soll. Rund sechzig Prozent der Inhalte wollen Burton und Hayes selbst produzieren und den Rest von Gleichgesinnten zukaufen. Der Kampf gegen die Multis dürfte sportlich werden.