Res Balzli (1952–2019): Nur halb war so einer nicht zu haben

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Solcher Eigensinn galt in der Branche natürlich als unprofessionell. Auch für komplizierte Dreharbeiten benötigte Res Balzli lediglich die erste Seite seines Notizblocks. Statt in Excel-Tabellen notierte der Filmproduzent die Anforderungen eines Drehplans mit einem simplen Bleistift. War etwas im Kasten, brauchte er nur auszuradieren. Dass er 1990 an den Solothurner Filmtagen ausgezeichnet wurde, geschah nicht etwa trotz, sondern wegen seines Eigensinns. Verwechseln konnte man Res Balzli nicht.

Geboren 1952 in Bolligen bei Bern, suchte Balzli früh nach Alternativen. Zum Abschluss seines Studiums der Sozialarbeit drehte er eine Studie über alternative Lebensformen. In den achtziger Jahren arbeitete er in der Drogenrehabilitation und versteckte Geflüchtete, war Mitgründer verschiedener Genossenschaften wie etwa der selbstverwalteten Beiz Kreuz in Nidau. Dort stand auch sein erster Schreibtisch als Filmproduzent der Firma Balzli & Cie. Autoren wie Peter Liechti, Matthias von Gunten, Dieter Fahrer und viele mehr fanden bei Res Balzli ihre filmische Heimat.

Womöglich etwas enttäuscht, dass auch die Kunst die Welt nicht zu retten vermag, zog sich Produzent Balzli zwischenzeitlich zurück, um in Freiburg zusammen mit Catherine Portmann die legendäre «Auberge aux 4 vents» aufzubauen. Gastronomie mit weltanschaulichem Hintergrund beschäftigte Res Balzli. Doch auch wenn er Zirkusleuten den Futtertrog für Mensch und Tier füllte oder selbst auf der Alp Kühe domptierte, blieb er der Filmwelt immer treu. Schliesslich übernahm er bei zwei Filmen selbst die Regie.

Mit «Bouton» (2011) setzte er der Mimin Johana Bory ein Denkmal, indem er deren Streben und Sterben bewegend ungefiltert dokumentierte. Auch in seinem Spielfilm «Tinou» (2016) ging es – allerdings mit ironischem Unterton – ums Sterben, indem Res einem in die Jahre gekommenen Trinker den Traum vom schönen Tod erfüllte. In dieser ruppigen Burleske schmetterte der Senegalese Souleymane Faye ohne Rücksicht auf Verluste Büne Hubers «Scharlachrot» in die Weite der afrikanischen Savanne. Es funktionierte, weil dieser Balzli den Widerspruch nicht scheute und das Risiko der Zusammenhänge suchte, in der Gastronomie, in der Filmerei, in Freundschaften, im Leben. Nur halb war so einer nicht zu haben.

Balzli war ein Möglichmacher, der die Grenzen der helvetischen Welt ein bisschen weniger eng machte. Doch dann kam unvermittelt ein Unfall: schweres Schädel-Hirn-Trauma. Vieles war ihm nun selbst nicht mehr möglich. Während langer Monate hat Res Balzli um seine Selbstbestimmung gerungen. Am 21. Juli hat er sie wiedererlangt.

Felix Tissi ist Regisseur und Drehbuchautor.