LeserInnenbriefe: Erhellendes Männergespräch

Nr. 29 –

«Schweinebücher: Total versaut in den Klassenkampf», WOZ Nr. 27/2019

Florian Keller rezensiert zwei «Tierbücher», den Roman von Jean-Baptiste Del Amo, «Tierreich», und die «Flugschrift» von Fahim Amir, «Schwein und Zeit. Tiere, Politik, Revolte». Das ist Anlass (ob für die WOZ oder Keller), sich schon im Titel so richtig reinzulegen: «Schweinebücher»! «Total versaut in den Klassenkampf»! Wie Keller hervorhebt, scheut Del Amo «keinerlei Drastik, wo es um die grobstofflichen Elemente der Tierhaltung geht. Er suhlt sich in der obszönen (sic) Materie.» Bei ihm ist es gewolltes literarisches Programm, das Albtraumhafte zu beschwören, inhaltlich wie stilistisch.

«Halt sehr französisch», findet Keller: «Selbst in der Schweinemast lauert hier immer auch der Sex.» Dies allerdings ist keine französische Eigenheit: Wo immer menschliche Gewalt Lebewesen trifft, ist Sex mittendrin.

Anders Amir, der «nicht mit starken Effekten (provoziert), sondern mit dem smarten Blick des Marxisten, der die Geschichte der Tiere aus einer ‹Perspektive der Kämpfe› erzählen will» und auch mit «humoristischen Kapitelüberschriften» Lacheffekte erzeugt, obwohl es ihm «durchaus ernst (ist) mit seiner Polemik», inklusive seiner programmatischen Parole: «Bei Tieren wird die Linke rechts.» Keller fragt etwas verdutzt: «Was meint er damit?» Der eine Linke kann sich nicht vorstellen, was damit gemeint sein könnte, der andere lässt historisches linkes Schriftgut, bei dem es um Tiere geht, Revue passieren und schaut auch links hin, wo aber meist nichts zu finden ist.

Dass er dabei die bourgeoise Romantik der unberührten Natur auch der Linken unterstellt, ist wohl kaum berechtigt und ein Beispiel dafür, dass Amir, wie Keller hervorhebt, «nicht immer ganz sauber» oder «schlüssig» argumentiert. So fragt Keller erneut nach, als Amir wiederholt, dass auch Tiere als «Akteure des Widerstands» zu begreifen sind: «Aber was ist politisch daran?»

Tatsächlich wird trotz Amirs scharfem Blick auf die historische Linke und die widerständigen Tiere letztlich nichts weiter «Politisches» daraus, wenn er erklärt, dass er für ein veganes Leben plädiert, «weil er sich von dessen sozialrevolutionären Kräften eine wahrhafte politische Utopie verspricht; einen exzessiven Bruch mit den herrschenden Verhältnissen, einen materiellen und symbolischen Aufstand gegen den Normalzustand». Eine politische Revolte ist also nicht vorgesehen, man hofft, dass sich eine ergeben wird. Sie fehlt im Argument, wie die Syntax auf dem Buchdeckel: «Schwein und Zeit. Tiere, Politik, Revolte».

So denkt Keller selber weiter, was eine «neue, solidarische Ordnung zwischen Mensch und Tier» bedeuten könnte: zum Beispiel, dass er sein Kotelett mit der Hauskatze oder dem Stadtfuchs teilen könnte. Das Kotelett lässt danken für die Solidarität.

Susanne Kappeler, per E-Mail