Kurvenaktivismus: Viel Erfolg!

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«Schnell und konsequent»

Die Atmosphäre ist eines Klassikers nicht würdig: Der FCZ empfängt im Frühling 2012 den grossen Rivalen FC Basel, doch es ist gespenstisch still im Letzigrund. Denn die beiden Fankurven sind leer. Die Polizei hat die Gästefans auf der nahen Duttweilerbrücke eingekesselt und will den Marsch erst nach eingehender Personenkontrolle weiterziehen lassen; die Zürcher Fans solidarisieren sich und verlassen das Stadion. «Dank schnellem und konsequentem  Eingreifen konnte ein Aufeinandertreffen verhindert werden», erklärt das Polizeicommuniqué. Die Basler vermuten indes eine geplante Schikane. Den Beweis dafür liefert die Muttenzerkurve beim folgenden Heimspiel: Als Choreografie präsentiert sie das überdimensionierte Einsatzdispositiv der Zürcher Stadtpolizei aus der Vorwoche. Die Pläne dazu haben Fans einem Zivilpolizisten gestohlen.

«Schloss!»

Die LuzernerInnen sorgen mit ihrer gewöhnungsbedürftigen Verwendung von Vokalen gerne für Verwirrung. Sie sagen «met» statt «mit» und «Lozärn» statt «Luzern». Genau diese Eigenheit lieferte im März die Idee für eine Protestaktion der originelleren Art.

Dem FC Luzern winkt die Chance, zu Hause gegen die Young Boys in den Cuphalbfinal einzuziehen – für den Klub das grösste Spiel der Saison, zweifelsohne. Doch auf Anweisung der Uefa, die zur Primetime alle Aufmerksamkeit für ihr Königsprodukt Champions League fordert, muss die Partie in der Swissporarena mittwochs um 18 Uhr angepfiffen werden. Nicht zum ersten Mal werden die Luzerner Opfer dieses Diktats des Kontinentalverbands.

Viele Fans – ganz zu schweigen von Gästen – schaffen es nicht so früh ins Stadion. Kurzerhand stürmen vor dem Anpfiff rund dreissig Ultras den Rasen und spannen Ketten zwischen die Torpfosten und an die Latte, versehen mit einem Schloss. Die Botschaft: «Schloss met dene Aspelziite!» Nach fünf Minuten ist eine grosse Zange aufgetrieben, der Ball kann rollen. Der Konflikt aber schwelt weiter.

«Hou ab!»

Proteste von Fans gegen die Personalpolitik ihres Vereins sind häufig, einen Effekt haben sie selten. Ausser sie sind derart heftig wie in Bern im Herbst 2016. Seit wenigen Monaten sitzt Urs Siegenthaler im YB-Verwaltungsrat, und bald müssen einige beliebte Personen, darunter Sportchef Fredy Bickel, ihre Sachen packen. Der erste öffentliche Auftritt von Siegenthaler: Auf SRF erklärt er in breitem Baslerdeutsch, dass er nur viermal pro Jahr in Bern sei und es «natürlich völlig unrealistisch» gewesen sei, den FC Basel herauszufordern. Ein Schlag ins Gesicht der YB-Fans. Die Quittung gibts beim folgenden Heimspiel: Der sonst eher sanftmütige Berner Anhang zeigt mit Hunderten «Hou ab!»-Plakaten und -Gesängen seinen Unmut derart deutlich, dass Siegenthaler zwei Tage später abtritt. In der Folgesaison wird YB mit grossem Vorsprung auf den FCB Meister. 

«Jetzt stömmer hinter dir»

Vor dem Anpfiff überspannt eine grosse Fahne die Zürcher Südkurve: «Obwohl vo de meiste sitze glah, stömmer jetzt richtig hinter dir.» Als das Transparent hochgezogen wird, bietet sich ein ungewohntes Bild: Die roten Sitze sind weg, die Fans stehen wieder, wie es immer ihr Wunsch war. In Rekordzeit haben sie die ungeliebten Sessel auf der Tribüne abgeschraubt, um ihrer Forderung nach Stehplätzen Nachdruck zu verleihen.

Schäden gibt es keine, die Sitze werden später wieder montiert. Es dauert aber noch über ein Jahr, bis die Kurve wieder aus nackten Steintreppen besteht. Einen beachtlichen Teil der anfallenden Umbaukosten steuert die Südkurve mit Spenden selber bei. Mämä Sykora