5G-Demo: Was macht die Glasfaser in der Luft?

Nr. 20 –

Die Forderung nach einem nationalen 5G-Moratorium wird lauter. Das Problem ist aber nicht das superschnelle Internet, sondern das Big Business.

«Handy bitte ausschalten, Elektrosensible sind anwesend»: Demonstration gegen 5G am Freitag in Bern. Foto: Severin Dietschi

Es war eine bunte Menge, die sich am Freitagabend auf dem Berner Waisenhausplatz versammelte, Links-Grün in Outdoorjacken, chic geschminkte Frauen, aber auch gutbürgerlich gekleidete Männer. Über tausend Menschen hatten sich versammelt, um gegen die fünfte Mobilfunkgeneration (5G) zu demonstrieren beziehungsweise ein nationales 5G-Moratorium zu verlangen. Die einen trugen selbstgemalte Schilder, andere hatten sich einfach ein Papier mit der Forderung «Stop 5G» auf die Brust geheftet.

Trennung von innen und aussen

Bevor die Veranstaltung startete, wurde die Order ausgegeben, alle sollten doch bitte ihre Handys ausschalten. Es seien auch Elektrohypersensible auf dem Platz, die darunter leiden würden. Viele kramten ihre Smartphones hervor, um sie auszumachen. Die OrganisatorInnen der Demo sagen, es gebe in der Schweiz 800 000 elektrosensible Menschen. Die Zahl basiert auf einer Befragung des Bundes, die ergeben hatte, dass sich über acht Prozent der Bevölkerung als elektrosensibel bezeichnen. Man kann sie für neurotisch erklären, wie das 5G-BefürworterInnen gerne tun. Hinter der Moratoriumsforderung steckt aber viel mehr.

Die junge Generation der MobilfunkgegnerInnen ist erstaunlich pragmatisch. Zum Beispiel Jerôme Meier, Mitte dreissig. Er sitzt im Vorstand des Vereins «Schutz vor Strahlung», der die Demo in Bern mitorganisiert hat. Meier arbeitet im Zürcher Oberland in einer Werbefirma, die weiss, wie man eine moderne Kampagne gestaltet. Entsprechend professionell kommt die Website des Vereins daher, die Meier betreut.

Meier sagt von sich, er sei technikaffin. Er besitzt ein iPhone und ein Tablet und arbeitet täglich am Computer. Irgendwann habe er bemerkt, dass er ständig Kopfschmerzen bekomme, wenn er in der Nähe des WLAN-Routers arbeite. «Ich bin elektrosensibel, wenn auch nicht hochgradig», sagt er. Deshalb hat er das WLAN entfernt und alle Geräte mit dem Kabel ans Internet gehängt – zu Hause wie im Büro, dort trage man das mit.

Jerôme Meiers Lösungsvorschlag: «Ich bin nicht grundsätzlich gegen Mobilfunk, aber es braucht eine Trennung von innen und aussen. Da wäre schon viel gewonnen.» Alles, was im Haus drinnen ist, soll über Glasfaserkabel und nicht über 5G versorgt werden. Denn die Strahlung der Funkmasten werde sonst höher als nötig, weil die Telekomfirmen durch dicke Mauern hindurch jede Ecke im Haus abdecken möchten. Würde die Trennung von innen und aussen konsequent umgesetzt, sagt Meier, liesse sich die Mobilfunkstrahlung massiv senken.

Doch da kommt die Ökonomie ins Spiel. Die entscheidende Frage lautet: Wie kommt man – rein technisch gesehen – überhaupt ins Netz?

Das neue 5G-Netz wird in der Schweiz national gebaut. Neben Swisscom haben auch Sunrise und Salt 5G-Lizenzen gekauft. Deshalb werden parallel Netze erstellt. Länder wie Österreich haben das anders organisiert: Die 5G-Lizenzen wurden regional vergeben und jeweils nur an einen Anbieter. Hierzulande jedoch haben die Kantone kein Mitspracherecht.

Die drei Anbieter liefern sich einen harten Wettbewerb. Swisscom beherrscht zwar den Markt, weil sie die meisten Glasfasernetze und vor allem die letzte Meile – den Zugang zu jedem Haus und jeder Wohnung – besitzt. Wenn Sunrise oder Salt die letzte Meile benutzen möchten, müssen sie Swisscom viel Geld bezahlen, sonst kommen sie gar nicht in die Häuser rein. Swisscom hat aber den Nachteil, dass sie kaum mehr expandieren kann und KundInnen an andere Anbieter verliert.

5G bietet der Konkurrenz neue Möglichkeiten. Oder wie es der Sunrise-Chef Olaf Swantee kürzlich gegenüber der Agentur AWP ausdrückte: «Sunrise setzt sich für die 5G-Strategie ‹Glasfaser durch die Luft› ein.» So schafft es die Firma, mit relativ wenig Aufwand jeden Haushalt, jede Firma ans Hochgeschwindigkeitsinternet anzuschliessen und Swisscom KundInnen abspenstig zu machen. Sunrise reagiert deshalb auch ungehaltener auf die 5G-Moratoriums-Forderungen als Swisscom. Sie droht den Kantonen mit Klagen, falls diese den Bau von neuen Sendemasten behindern sollten.

Zurückgemietete Funkmasten

Allerdings besitzt Sunrise gar keine Sendemasten mehr. Sunrise wie auch Salt haben alle Funkmasten an Cellnex verkauft, um Geld für neue Investitionen zu bekommen. Sie mieten dann jeweils das Netz von Cellnex zurück. Cellnex ist ein spanisches Konsortium, an dem auch Swiss Life beteiligt ist, der grösste Lebensversicherer der Schweiz. Cellnex verspricht den InvestorInnen in der Schweiz ein Wachstum von 45 Prozent in den nächsten fünf Jahren.

Bei einem Moratorium ginge es nun nicht darum, das superschnelle Internet zu verhindern – sondern Lösungen für eine kluge Infrastruktur zu finden, die nicht den Gesetzen des Big Business folgt.