Ölboom in der Prärie: Der wilde Ritt der Credit Suisse

Nr. 14 –

Der Öl- und Gasboom in Westtexas ist für das Klima besonders schädlich. Denn bei der Förderung werden nicht nur grosse Mengen Erdgas abgefackelt, es gelangt auch sehr viel Methan in die Atmosphäre. Obwohl die Unternehmen vor Ort hoch verschuldet sind, erhalten sie immer neue Kredite, nicht zuletzt dank der Schweizer Grossbank Credit Suisse.

Ölarbeitercamp in Midland, Westtexas: Die Strassen sind voll von Lastwagen und Pick-ups, überall stinkt es nach Gas und Öl. Foto: Julie Dermansky

Draussen im Park rennen Kinder in Badehosen kreischend an einem Springbrunnen vorbei. Hier drinnen, in den Konferenzräumen des Hilton America von Houston, ist die Luft so stark heruntergekühlt, dass die vornehmlich weissen Männer nicht ins Schwitzen geraten, wenn sie, dem Dresscode «formal business» folgend, im Anzug von einer Veranstaltung zur nächsten eilen. Es ist Anfang März. In der texanischen Grossstadt, in der vor eineinhalb Jahren der Hurrikan Harvey wütete, treffen sich wie jedes Jahr rund 4000 VertreterInnen der Energieindustrie zur Branchenkonferenz Cera Week. Einer der Hauptsponsoren der fünftägigen Veranstaltung ist die Schweizer Grossbank Credit Suisse. Sie gilt hier in der Öl- und Finanzmetropole als grosse Nummer. Die CS berät eine grosse Anzahl US-amerikanischer Öl- und Gasunternehmen in Finanzfragen und versorgt sie mit Kapital. Diese Industrie erlebt derzeit einen Boom. Innerhalb von nur wenigen Jahren sind vorab in Westtexas, im sogenannten Permian Basin, mithilfe der Frackingtechnik grosse Öl- und Gasvorkommen erschlossen worden, wodurch die USA – noch vor Saudi-Arabien und Russland – zum weltweit grössten Ölförderer geworden sind. Das Permian Basin umfasst eine Region, die mehr als viermal so gross ist wie die Schweiz und wo inzwischen ein Drittel des US-amerikanischen Öls gefördert wird.

«Wir wollen Deals sehen»

Die CS tritt in Houston auf vier Podien mit Managern auf. Osmar Abib ist der Chef der Öl- und Gasgruppe innerhalb der Credit Suisse. Er spricht auf einem der Podien über die Erwartungen der InvestorInnen an die Öl- und Gaskonzerne. Die KapitalgeberInnen sind derzeit nicht gerade glücklich. Das einflussreiche «Wall Street Journal» fährt seit Monaten eine eigentliche Kampagne, in der es auf die überrissenen Prognosen der Unternehmen hinweist. Die InvestorInnen werden langsam ungehalten. Die Unternehmen haben mit ihren Frackingvorhaben schon Hunderte Milliarden Dollar ausgegeben. Kommt dazu, dass immer mehr institutionelle Anleger wie Pensionskassen ihr Geld aus klimaschädigenden Unternehmen abziehen. Das wirkt sich negativ auf den Aktienkurs der Kohle-, Öl- und Gaskonzerne aus, wie an den Veranstaltungen mehrfach bestätigt wird.

Ein Job der CS ist es, Kapital für die Unternehmen zu beschaffen, etwa bei Superreichen oder Investmentfonds. «Qualitativ gute Unternehmen mit guten Gewinnen und Wachstum haben kein Problem, an Kapital zu kommen», sagt Osmar Abib. Letztlich geht es darum, wie viel die InvestorInnen für das eingesetzte Kapital zurückbekommen. «Wir gehen durch eine grosse Periode der Anpassungen», sagt Abib in der Diskussion. Es wird erwartet, dass sich in nächster Zeit viele Unternehmen zwecks Effizienzsteigerung zusammenschliessen oder von Grosskonzernen geschluckt werden. Für die CS sind das rosige Aussichten. Denn die Bank lebt nicht zuletzt von solchen «Mergers and Acquisitions», die sie gegen hohe Gebühren abwickelt. «Wir arbeiten mit den Unternehmen auf strategischer Ebene», umschreibt das Abib und schiebt nach, um was es der Bank letztlich geht: «Wir wollen Deals sehen.»

Die Cera Week ist der Ort für solche Deals. Die CS verfügt an der Konferenz über einen von der Öffentlichkeit abgeschirmten Sitzungsraum, wo ihre ManagerInnen KundInnen treffen können. Auch Kontakte und Absprachen mit PolitikerInnen sind an dieser Konferenz möglich: Die meisten Erdölstaaten haben ihre EnergieministerInnen nach Houston delegiert. Washington lässt zudem Andrew Wheeler auftreten, den Chef der Umweltbehörde EPA. Diese hat seit der Machtübernahme von Donald Trump einen Umweltstandard nach dem anderen aufgeweicht. Wheeler macht in seiner Rede klar, dass da keine Kursänderung zu erwarten ist. «Das Öl und Gas der USA ist das umweltfreundlichste weltweit», sagt er in perfektem orwellschem Neusprech. Dem pflichtet auch US-Aussenminister Mike Pompeo in seiner Rede bei und macht deutlich, wie sehr das Land seine neuen Vorkommen als strategische Trumpfkarte sieht: «Mit unserem Öl und Gas sorgen wir für unsere Sicherheit und können jene, die mit ihren Ressourcen Machtpolitik betreiben, zurückdrängen. Die Welt braucht Öl und Gas, und wir sind glücklich, es zu haben.»

Wer dem texanischen Ölboom auf die Spur kommen will, muss lange Autofahrten in Kauf nehmen. Es dauert einen Tag, um von Houston nach Odessa zu gelangen. Die Stadt in Westtexas bildet zusammen mit dem angrenzenden Midland das Zentrum des Permian-Basin-Booms. Die Fahrt ist öde und führt mehrheitlich durch eine topfebene Prärielandschaft: kleine Büsche, braunes Gras, Kaktuspflanzen, so weit das Auge reicht. Und je weiter westlich man reist, desto mehr Ölpumpen stehen verstreut in der Landschaft. Wie sich diese metallenen Kolosse langsam drehen, hat etwas Meditatives. Doch es sind nicht alleine die Pumpen: Verbunden mit Zufahrtsstrassen stehen gut eingezäunt Tanklager und petrochemische Anlagen in der Landschaft. Dazwischen ragen Rohre in die Höhe, aus denen grosse Flammen stechen. Immer wieder trifft man auch auf hohe Bohrtürme, unter denen mit der Frackingtechnik das Schiefergestein im Untergrund aufgesprengt wird. So entstehen neue Quellen, auf die Pumpen gesetzt werden, die das freigefrackte Öl und Gas heraufziehen.

Verbranntes Erdgas

In den zusammengewachsenen Städten Odessa und Midland leben rund 300 000 Menschen. Die Strassen sind voll von Lastwagen und Pick-ups. Es stinkt nach Öl und Gas. Entlang der Autobahn I-20, die sich quer durch weitflächige Besiedelungen zieht, stehen geparkte Einsatzfahrzeuge und Lastwagen sowie Lagerstätten für Pipelinerohre oder Pumpen. Dazwischen finden sich auch Trailerparks und Barackensiedlungen für die vielen ArbeiterInnen, die hierher gezogen sind. Auch neu hingebaute Einfamilienhaussiedlungen sind auszumachen. Sie wirken in ihrem braunen Einheitslook und mit der braunen Einzäunung nicht nur einförmig, sondern auch leblos. Und überall und immer wieder: Ölpumpen, Öltanks und die Flammen.

Gene Collins kennt Odessa wie kaum ein anderer. Der 68-Jährige ist hier aufgewachsen, Pfarrer einer lokalen Gemeinde der Church of Christ, Versicherungsvertreter, Mitglied des nationalen Umweltgerechtigkeitskomitees der afroamerikanischen Bürgerrechtsorganisation NAACP, Präsident der afroamerikanischen DemokratInnen von Texas und Delegierter des Roten Kreuzes der USA. Collins ist über den Boom in seiner Stadt nicht glücklich. Die Bevölkerungszahl in der Region ist innerhalb weniger Jahre um ein Drittel angestiegen. Gleichzeitig sind auch die Lebenshaltungskosten in die Höhe geschossen. Ölarbeiter, die hierherkommen, verdienen oft über 100 000 Dollar im Jahr. Die LehrerInnen, die seit Jahren hier leben, die Hälfte. «Wir brauchen staatliche Investitionen, um zu kompensieren, was der Boom ausgelöst hat», sagt Collins. Es brauche günstigen Wohnraum und höhere Löhne für die Staatsangestellten, aber auch etwa für diejenigen, die in den Restaurants arbeiteten. Sonst würden die ihren Job aufgeben oder wegziehen.

Collins kämpfte in den letzten Jahrzehnten immer wieder erfolgreich in BürgerInnengruppen gegen petrochemische Unternehmen, die die Gesundheit der lokalen Bevölkerung beeinträchtigten. Doch der jetzige Boom hat ihn ziemlich einsam gemacht. Niemand wolle sich gegen die Ölunternehmen stellen, alle hätten Verwandte, die für diese arbeiteten. Der Klimawandel sei kaum ein Thema, obwohl die Hurrikans Texas immer härter treffen und Tornados hier inzwischen das ganze Jahr eine Gefahr darstellen. Auch die Luftqualität ist miserabel und das Leitungswasser ungeniessbar. «Wir sind der Anus der Nation», fasst Gene Collins die Situation zusammen.
Besonders gesundheitsgefährdend ist das Erdgas, das hier zusammen mit dem Öl gefördert und oft gleich verbrannt wird. Der Gaspreis ist zu tief, Westtexas zu weit weg von den Zentren und Häfen, weswegen sich die Nutzung oft nicht lohnt. Das CO2, das dadurch emittiert wird, entspricht dem Ausstoss von 2,7 Millionen Autos, wie das «Wall Street Journal» kürzlich vorrechnete. Die Zeitung bezog sich dabei auf eine Studie des Environmental Defense Fund. Dieser hatte mithilfe von Satellitenaufnahmen nachgewiesen, dass die offiziellen Angaben der texanischen Regierung viel zu tief liegen.

Wer Gas abfackeln will, braucht eine Bewilligung der Behörden. Allerdings wurde noch kein Gesuch je abgelehnt. Mit dem Verbrennen des Gases gelangen auch Schwermetalle, Feinstaub, Schwefeloxide und andere gefährliche Stoffe in die Luft. Die Umweltbehörde führt keine Messungen durch, die Unternehmen müssten ihre Emissionen selber deklarieren. «Das ist, wie wenn der Bankräuber auch der Sheriff ist», kommentiert Collins diese Regelung.

Sand als Handelsware

Sechzig Kilometer westlich von Odessa liegt die Kleinstadt Kermit. Auch sie steht im Bann des Booms. In Baulücken sind Containersiedlungen und Trailerparks errichtet worden. Die Lastwagen stauen sich an den Ampeln, die Strassen sind wegen der starken Beanspruchung durch die schweren Fahrzeuge voller Schlaglöcher. Hier in der Nähe haben sich Zulieferfirmen des Frackingbooms eingenistet: Denn vor den Toren Kermits gibt es grosse Sanddünen. Lange war die Gegend ein beliebtes Ausflugsziel der WesttexanerInnen, die in den Dünen herumtobten, im feinen Sand in der Sonne lagen oder auch mit Motorrädern und Sportfahrzeugen durch die Dünen kurvten.

Seit zwei Jahren ist der Spass vorbei: Der Konzern Hi-Crush Partners hat das Dünengebiet gekauft und eingezäunt. Seither bauen mehrere Unternehmen den Sand ab. In den Fabriken, die zwischen den Dünen errichtet wurden, wird er aufbereitet und danach mit Lastwagen zu den Frackingunternehmen gekarrt. Um die Schiefergesteinsschicht aufzubrechen, braucht es neben viel Wasser und Chemikalien auch grosse Mengen an Sand, der deshalb in den letzten Jahren zu einem begehrten Handelsprodukt geworden ist. Hi-Crush Partners wie auch die anderen Sandfirmen von Kermit sind allesamt Klienten der Credit Suisse, wie diese in einem Analysepapier zum Geschäft mit Frackingsand offenlegt.

Überall Gaslecks

Zwischen den Dünen von Kermit werden aber auch Öl und Gas hochgepumpt. Und hier findet sich eine Gasverarbeitungsanlage des Unternehmens Energy Transfer. Dieses betreibt in den USA nicht nur Pipelines in der Gesamtlänge von über 100 000 Kilometern, sondern bereitet in Dutzenden Anlagen auch Erdgas auf. Dabei wird das geförderte Erdgas gereinigt und sein Hauptbestandteil Methan von anderen weiterverwertbaren Gasen wie Propan, Butan und Ethan getrennt.

In den Dünen von Kermit zischt aus einem Rohr der Energy-Transfer-Einrichtung laut eine Flamme hervor. Etwas abseits am Strassenrand stehen überall knallgelbe Warnschilder, die vor giftigen Gasen warnen, insbesondere vor Schwefelwasserstoff. Es stinkt entsprechend penetrant nach faulen Eiern. Schwefelwasserstoff ist schwerer als Luft und hält sich so am Boden. Riecht man es nicht mehr, wird es richtig gefährlich. Dann hat das Gift die Geruchsnerven ausgeschaltet. Hohe Konzentrationen sind innert Sekunden tödlich. Vor einem Warnschild liegt der Kadaver einer Kuh. Ob sie zu viel Gift erwischte, bleibt offen. Offensichtlich liegt sie seit Tagen hier herum.

Auch Energy Transfer ist eine gute Kundin der Credit Suisse. Immer wieder hat die CS dem Konzern neues Geld verschafft. So war die CS im Februar 2017 bei einer Kreditvergabe von 2,2 Milliarden Dollar federführend. Energy Transfer ist in der Schweiz ein Begriff, weil das Unternehmen die Dakota Access Pipeline (DAPL) baute und dabei Landrechte eines Sioux-Stammes in North Dakota missachtete. Dieser wehrte sich mit einem grossen Protestcamp bei Standing Rock und zog so die Aufmerksamkeit der Weltöffentlichkeit auf sich. Proteste gab es schliesslich auch vor Credit-Suisse-Gebäuden in der Schweiz und an ihrer Generalversammlung in Zürich.

Methan als grosse Klimagefahr

Umweltschädliches Gas entweicht aus vielen Anlagen der texanischen Frackingindustrie. Sharon Wilson kann das nachweisen. Die Mitarbeiterin der Umweltorganisation Earthworks wird immer dann gerufen, wenn AnwohnerInnen einen Verdacht hegen. Wilson verfügt über eine spezielle Infrarotkamera, die Gasemissionen sichtbar macht. «Wenn wir die Firmen mit unseren Ergebnissen konfrontieren, sagen sie meist, das sei jetzt grad ein dummer Zufall gewesen.» Doch dann mache sie zwei Wochen später nochmals Aufnahmen, und nichts habe sich geändert. Immer wieder meldet Wilson die Gaslecks auch der texanischen Umweltbehörde. «Doch die tun nichts», sagt sie. Laut Wilson gehört Energy Transfer zu den besonders üblen Firmen. Auf zahlreichen Videos, die sie vor ihren Einrichtungen gedreht hat, sieht man, wie Gas aus Rohren, Tankeinrichtungen und Fabrikationsanlagen entweicht.

Für das Klima besonders verheerend ist das entweichende Methan. Seit zehn Jahren stellen die KlimaforscherInnen fest, dass der Anteil von Methan in der Atmosphäre stark zunimmt. In den letzten vier Jahren sogar besonders stark. Das ist deshalb besonders relevant, weil Methan wie CO2 ein Treibhausgas ist. Anders als CO2 baut es sich zwar ab, aber nur sehr langsam. In den ersten zwanzig Jahren ist es mehr als achtzigmal schädlicher als CO2. Eine Studie der Nasa hat letztes Jahr ermittelt, dass die Methanzunahme in der Atmosphäre zu über einem Drittel auf das Fracking in den USA zurückzuführen sei.

Sharon Wilson sagt dazu: «Wir müssen mit diesem Irrsinn aufhören. Wir haben nur noch zwölf Jahre Zeit. Es tut mir im Herzen weh, das als gebürtige Texanerin zu sagen. Aber die Welt muss erfahren, was hier in Texas passiert. Und die Banken dürfen das nicht weiter finanzieren.»

5,5 Millionen Dollar pro Loch

Von Kermit aus sind es nochmals fast 200 Kilometer Fahrt weiter nach Südwesten, bis schliesslich das Gebirge der Davis Mountains auftaucht. Die ganze Strecke ist geprägt von den Einrichtungen der Frackingindustrie. Die Landschaft gleicht einem Flickenteppich. Hier am Fuss des Gebirges wurde im September 2016 ein weiteres gigantisches Öl- und Gasreservoir entdeckt, das nun per Fracking Stück um Stück ausgebeutet werden soll. Drei Milliarden Fass Öl sollen hier liegen, über zwei Billionen Kubikmeter Gas. Das Unternehmen Apache hat sich die Nutzungsrechte von 1400 Quadratkilometern Land gesichert, eine Fläche so gross wie der Kanton Aargau. 5000 Löcher sollen gebohrt werden, jedes wird im Schnitt eine Investition von 5,5 Millionen Dollar erfordern. Das Unternehmen braucht also Kapital, viel Kapital. Auch Apache ist eine Klientin der Credit Suisse. So hat die CS etwa am 14.  August 2018 zusammen mit anderen Banken dem Unternehmen eine Milliarde US-Dollar vermittelt.

Mark Glover hofft darauf, dass die Pläne letztlich am Kapital scheitern werden. Der vierfache Vater wohnt mit seiner Familie in Alpine, einer Stadt in den Davis Mountains. Seit bekannt wurde, dass Apache in ihrer Nähe mit Fracking beginnen wird, setzt sich der 63-Jährige zusammen mit seiner Partnerin Lori gegen das Projekt ein. «Die Öl- und Gasindustrie ist mit 280 Milliarden Dollar verschuldet», sagt er. «Wenn man ihre Finanzierung stoppt, stoppt man diesen Wahnsinn.»

Doch auch Mark und Lori Glover sind in ihrem Widerstand ziemlich einsam: «Wir haben eine Versammlung von Anwohnern einberufen, bei der rund vierzig Leute kamen», sagt er. Doch leider habe man sich nicht auf ein gemeinsames Vorgehen einigen können. Dabei ist klar, dass das Fracking die Gesundheit der Bevölkerung beeinträchtigen wird, die Wasserquellen und auch den Tourismus bedroht. Denn die Davis Mountains sind mit ihren bizarren Felsformationen, ihren Eichenbäumen, den Braunbären, Pumas, Hirschen und Pronghorns und dem im Vergleich zur Ebene gemässigteren Klima ein Publikumsmagnet.

Die Glovers setzten in ihrem Kampf gegen die Ölindustrie auf Aktivismus und blockierten den Bau einer Pipeline. Fünfmal wurden sie schon verhaftet. Nun soll mit einem neuen Gesetz die Repression noch verschärft werden. Wer eine sogenannt wichtige Infrastruktur des Landes blockiert, soll künftig als VerbrecherIn behandelt werden. «Das wird dann sehr teuer», weiss Mark Glover. Er wird mit seiner Familie im Sommer nach New Mexico wegziehen.

Apache hat angekündigt, dass es sich bei der Ausbeutung der Vorkommen nicht prioritär auf das Erdöl konzentrieren will. Das viele Gas, das hier liegt, soll ebenfalls Gewinne generieren. So wird denn auch an einer Gaspipeline Richtung Osten gebaut. Weitere Pipelines aus anderen Teilen des Permian Basin sind ebenfalls im Bau. Die Pläne sind gigantisch, einmal mehr. An den US-Häfen im Golf von Mexiko sind für Dutzende Milliarden Dollar mehrere Anlagen zur Verflüssigung von Gas (LNG) und neue Terminals geplant. Erdgas muss mit hohem Energieaufwand auf unter minus 160 Grad Celsius heruntergekühlt werden, damit es flüssig wird und verschifft werden kann. China wird als Hauptabnehmerin angepeilt. Das exportierte Gas soll zur Stromerzeugung gebraucht werden und Kohlekraftwerke ersetzen. Zwar emittieren auch Gaskraftwerke CO2, allerdings weniger als Kohle. Damit kann Erdgas als umweltfreundlich verkauft werden – wenn man die Methanlecks, den Transport und den energieaufwendigen Verflüssigungsprozess verschweigt.

Die ganz Grossen springen auf

Eigentlich wäre Texas ja prädestiniert für erneuerbare Energien. Schon jetzt stehen hier mehr Windräder als in jedem anderen Bundesstaat. Doch weder mit Wind- noch mit Sonnenenergie lassen sich so hohe Profite erzielen wie mit Öl und Gas. Das ist auch an der Cera Week zu hören. Wer will sich hier schon mit einer Kapitalverzinsung von 4 oder 5 Prozent zufriedengeben, wenn 20 Prozent locken? Fracking bedeutet Gigantismus und Milliardenprojekte – genau das, was die Investmentbanken so mögen. «Die Frackingrevolution geht um die Welt», prophezeit Mohammad Barkindo, Generalsekretär der Organisation erdölexportierender Staaten. Das Beispiel Texas soll etwa auch in Mexiko und Saudi-Arabien Schule machen. Flüssiggas wird zum ganz grossen Schlager. «Wir reden hier von Hunderten von Milliarden Dollar an neuen Investitionen», sagt Shell-Direktor Maarten Wetselaar. «Das ist eine Wette mit einem Zeithorizont von vierzig Jahren», ergänzt Jack Fusco von Cheniere Energy. Das Unternehmen dominiert bislang das LNG-Geschäft in Nordamerika und ist – wen wunderts – ebenfalls ein guter Kunde der Credit Suisse.

Nochmals locken die ganz grossen Deals. Und deshalb steigen sie jetzt alle auf den Frackingzug auf, auch die ganz Grossen: Shell, Exxon, Chevron, BP; sie alle haben in den letzten Monaten Firmen und Land in Westtexas gekauft und Milliardeninvestitionen angekündigt. Wen kümmerts, dass doch eigentlich spätestens 2050 keine Treibhausgase mehr emittiert werden dürfen? Wer hört schon auf Fatih Birol, den Chef der Internationalen Energieagentur, der in einer Diskussion einwirft, die Welt sei «sehr weit weg vom Ziel, den Treibhausgaseffekt zu begrenzen»? Wer sorgt sich, dass 2018 die weltweiten CO2-Emissionen, statt endlich zu sinken, sogar um 1,7 Prozent angestiegen sind?

Offenbar niemand. Stattdessen schlucken jetzt die Grossen die Kleinen, die «Konsolidierung» ist in vollem Gang. Investmentbanken wie die Credit Suisse ermöglichen die «Deals». CS-Manager Abib sagt: «Die Firmen wandeln sich und sind so attraktiver geworden. Es gibt in der Branche immer noch sehr attraktive Zinsraten für geliehenes Kapital.»

Frackingstation in der Nähe von Midland: Erdgas bringt zu wenig Profit, also wird es einfach abgefackelt. Foto: Julie Dermansky

Derweil gebärden sich die grossen Ölkonzerne «klimafreundlich». Sie reden davon, die Methanleaks schliessen zu wollen. Es muss nämlich verhindert werden, dass noch mehr AnlegerInnen ihre Aktien wegen Umweltbedenken abstossen und so zu weiteren Kursverlusten beitragen. Dafür kreieren die Konzerne das Märchen vom Erdgas, das als saubere «Brückentechnologie» zusammen mit Erneuerbaren wie Wind und Sonne die Energiezukunft darstelle. Mit der Realität, wie sie in Westtexas zu sehen ist, hat das aber rein gar nichts zu tun.

Die Position der Credit Suisse

Die Credit Suisse äussert sich auf Anfrage nicht konkret zu Fragen, wie sie ihre Geschäftsbeziehungen mit den im Artikel genannten Firmen aus der Frackingindustrie und dem Flüssiggasgeschäft begründet. Allgemein schreibt sie, dass sie ihren «Teil der Verantwortung bei der Bekämpfung des Klimawandels und des Übergangs zu einer kohlenstoffarmen und klimaresistenten Wirtschaft» anerkenne. Man halte sich an Standards internationaler Organisationen wie der Uno und der Weltbank.

Eine kürzlich veröffentlichte Studie von Umweltorganisationen kommt zum Schluss, dass die Credit Suisse zwischen 2016 und 2018 der fossilen Industrie weltweit 57 Milliarden US-Dollar bereitgestellt habe. Die CS hält dazu fest, dass sie derzeit internationale Empfehlungen umsetze, Klimarisiken bei ihren Geschäften stärker zu berücksichtigen. Zudem ist es der CS ein Anliegen, darauf hinzuweisen, dass sie bei der Finanzierung im Bereich erneuerbarer Energien und Energieeffizienz zu den «weltweit führenden Banken» gehöre.

Recherchierfonds

Dieser Artikel wurde ermöglicht durch den Recherchierfonds des Fördervereins ProWOZ. Dieser Fonds unterstützt Recherchen und Reportagen, die die finanziellen Möglichkeiten der WOZ übersteigen. Er speist sich aus Spenden der WOZ-Leser:innen.

Förderverein ProWOZ unterstützen