Das Geschäftsmodell: Vertraglich geregelte Mogelpackung

Nr. 49 –

Die Kulturzeitschrift «Du» lebt von verstecktem Sponsoring. Wie das Heft systematisch seine Unabhängigkeit verkauft, zeigt ein Zusammenarbeitsvertrag, der der WOZ vorliegt.

Es brauchte einen Schriftsteller, von Berufs wegen für die Fiktion zuständig, um die Fakten auf den Tisch zu legen. In seinem Essay «Die Schweiz ist des Wahnsinns», kurz vor den Parlamentswahlen in der «Frankfurter Allgemeinen Zeitung» veröffentlicht, machte Lukas Bärfuss publik, dass sich das Kulturmagazin «Du» kaufen lässt. Jeder, «der sechzigtausend Franken zu zahlen bereit ist», könne das Heft «komplett buchen», schrieb Bärfuss. Auslöser seines Ärgers war die «Du»-Ausgabe über die Kunstsammlung von SVP-Milliardär Christoph Blocher. Niemand störe sich daran, dass ein Magazin «eine Woche vor den nationalen Wahlen den politischen Extremismus mit den Weihen der Kunst bemäntelt und rechtfertigt».

Oliver Prange, der Besitzer des «Du», wies die Fakten auf persoenlich.com, dem Medienportal als Fiktion zurück: Die Kritik sei «frei erfunden». Die redaktionelle Hoheit über eine «Du»-Ausgabe liege wie bei jedem anderen Medium bei der Chefredaktion. «Wir urteilen unabhängig», schrieb Prange, beim «Du» Verleger und Chefredaktor in Personalunion. Er räumte aber ein: Im geeigneten Fall suche man sich für eine Ausgabe Sponsoren. «So sponsern beispielsweise Stiftungen, Grossbanken, Versicherungen und kulturelle Institutionen. Und wir machen das Heft dazu.»

Was damit konkret gemeint ist, zeigt ein Zusammenarbeitsvertrag, mit dem Prange um Unterstützung wirbt und der nun der WOZ vorliegt. In einer Präambel wird die «Du-Philosophie» umrissen: «Das Kulturmagazin Du wurde 1941 gegründet und hat sich seither als bedeutende Stimme der Kultur in Europa einen festen Platz gesichert.» Unter Punkt 2 wird das Ziel der Kooperation beschrieben. Es wird versprochen, dass Text und Bild «im klassischen Du-Stil» erfolgten und die Inhalte «auf Augenhöhe mit den Künstlern und den Partnern» vermittelt würden. Unter Punkt 5 geht es ans Bezahlen: Wie die aufgelisteten Zahlen zeigen, finanziert sich die Zeitschrift zu je einem Drittel aus Werbung, Aboeinnahmen und Spenden beziehungsweise Sponsoring. Für 60 000 Franken erhält der Spender oder Sponsor 3000 Exemplare der Ausgabe.

Verfolgt man Oliver Pranges Werdegang, wird die Herkunft des Geschäftsmodells klar – und damit seine Problematik.

Seine Karriere startete Oliver Prange, der aus dem zürcherischen Ottikon stammt, als freier Wirtschaftsjournalist. 1996 gründete er die Corporate-Publishing-Gruppe Denon, die sich auf die Publikation von Geschäftsberichten spezialisierte. Die Kunst hatte es ihm offenbar schon damals angetan: Die Firma war nach Dominique-Vivant Denon benannt, Napoleons Kunstminister, der die unterworfenen Länder nach Kunstwerken durchforstete und mit der Beute den Louvre mit aufbaute. Neben dem Start mit Denon stieg Prange bei der Zeitschrift «Persönlich» ein, einem Fachmagazin der Kommunikationsbranche, und baute das gleichnamige Onlineportal mit auf. BranchenkennerInnen beschreiben Prange als smart und gut vernetzt.

Abhängigkeit im Quadrat

2008 verkauften Prange und sein Geschäftspartner, der Rapperswiler Verleger Bruno Hug, Denon sowie «Persönlich» an die Inseratevermarkterin Publigroupe. Über den Verkaufspreis wurde Stillschweigen vereinbart. Die Konkurrentin «Kleinreport» meinte damals, der Verkauf sei für Hug und Prange ein «Glücksfall»: «Wer sonst hätte ihnen alles abgekauft?» Prange behielt nur die «Du Kulturmedien AG», die er sich kurz zuvor geleistet hatte. Für die Publigroupe rentierte sich die Investition nicht: «Persönlich» ging an Blocher-TV-Stichwortgeber Matthias Ackeret. Das Corporate-Publishing-Geschäft von Denon wurde an die Agentur Swisscontent verkauft.

Diese gibt unter anderem Publikationen für die Grossbank UBS, die Krankenkasse Helsana oder das Staatssekretariat für Wirtschaft Seco heraus – Produkte, typisch für das Corporate Publishing. Es nennt sich auch «Content Marketing» und unterscheidet sich vom Journalismus dadurch, dass der Inhalt nicht unabhängig erarbeitet wird, sondern den Vorstellungen eines Auftraggebers folgt – und dieser meist schon auf dem Titelblatt ausgewiesen ist.

Der Zusammenarbeitsvertrag zeigt: Prange verknüpft die Methoden des Content Marketing mit der als unabhängig geltenden journalistischen Marke «Du». Statt Geschäftspublikationen für einzelne Firmen herzustellen, bietet er ein Kulturmagazin als Marketingrahmen an.

Wie dabei Redaktion, Verlag und Sponsoring durcheinandergeraten, zeigt die aktuelle Novemberausgabe über das Zürcher Schauspielhaus. Den Inhalt konzipiert hat nicht die «Du»-Redaktion, sondern gemäss Impressum das Schauspielhaus. Für die Koordination des Hefts sind Barbara Higgs und als redaktioneller Mitarbeiter Andreas Karlaganis angeführt – ohne ihre tatsächliche Funktion: Es handelt sich um die Leiterin Sponsoring und Fundraising und den geschäftsführenden Dramaturgen des Schauspielhauses. Auf Anfrage schreibt das Schauspielhaus, es habe sich redaktionell, aber nicht finanziell am Heft beteiligt. Die Hauptsponsoren buchten dafür Inserate. Und die Credit Suisse kaufte dem «Du» zusätzlich einen Teil der Auflage ab: An der Premiere des Stücks «Meer» von Jon Fosse hat sie 700 Exemplare als Werbegeschenke verteilt.

Eine ähnliche Konstruktion bestätigt das Lucerne Festival, das diesen Sommer bereits zum fünften Mal mit Prange kooperierte: Auch hier kaufen sich Sponsoren des Festivals jeweils Exemplare als Kundengeschenke – wahlweise mit einem separaten Cover, auf dem «überreicht von …» steht. Das Heftthema ist das gleiche wie das Motto des Festivals. Für den Inhalt ist jeweils das «Du» zuständig – dieses Jahr gab es die Redaktion an den «Humorprofi» Bernd Eilert weiter: Sein Heft zum Thema «Literarische Hochkomik» bestand aus vierzig Seiten Textrecycling mit humoristischen Zitaten aus der Weltliteratur.

Prange führt das Heft seit vier Jahren allein, die Redaktion hat er aufgelöst. In dieser Zeit sind auffällig viele Ausgaben erschienen, die sich Institutionen widmen, vom Opernhaus Zürich bis zur Art Basel, vom Löwenbräu-Areal bis zum Diogenes-Verlag. Und selbst wenn man keinen Geldgeber vermutet, taucht bestimmt einer auf: Die Ausgabe «Giacometti und das Bergell» führt zu den Elektrizitätswerken Zürich, die damit die Wasserkraftpartnerschaft mit dem Alpental feierten, eine über Brasilien zur Avina-Stiftung von Stephan Schmidheiny.

Prange ist abgetaucht

Auf eine erste Anfrage schrieb Prange der WOZ zur Finanzierung der Blocher-Ausgabe: «Was das Geld betrifft, so finanziere ich das Du seit acht Jahren selbst. Ich kann mir das dank des Verkaufs meiner früheren Verlage – persönlich/Denon – an die Publigroupe leisten, und ich finde, dieser Titel ist es wert, dass er auch in schwierigen Zeiten weiterexistiert.»

Auf wiederholte Anfragen in den letzten Wochen für ein Gespräch über die Finanzierung, ob per E-Mail oder Telefon, hat sich Prange nicht mehr gemeldet. Die WOZ hätte ihm gerne weitere Fragen gestellt: Sind auch Ausgaben über Einzelfiguren wie den Galeristen Walter Feilchenfeldt gesponsert? Müssten Sponsoren und die Fremdbetreuung einer Ausgabe der Transparenz halber nicht konsequent ausgewiesen werden? Bräuchte es im Sinn der Unabhängigkeit nicht wieder eine eigene Redaktion? Und aus medienethischer Sicht: Werden nicht die LeserInnen hinters Licht geführt? Sie kaufen im Abo (160 Franken pro Jahr) oder am Kiosk oder in Buchhandlungen (20 Franken pro Ausgabe) ein vermeintlich unabhängiges Kulturmagazin. Und bezahlen für ein Heft, das als Werbegeschenk für Institutionen und Sponsoren konzipiert ist.

In den Richtlinien des Schweizer Presserats zu Sponsoring heisst es: «Bei gesponserten Medienberichten sind der Name des Sponsors transparent zu machen und die freie Themenauswahl und -bearbeitung durch die Redaktion zu gewährleisten. Redaktionelle Beiträge (z. B. ‹begleitende› redaktionelle Berichterstattungen), die als ‹Gegenleistung› zu Inseraten und Werbesendungen veröffentlicht werden, sind unzulässig.»

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