Personenrätsel: Der gescheiterte Tyrannenmörder

Nr. 45 –

«Dieses Mal nicht. Das darf nicht geschehen. Stirbt er, überleben auch wir nicht», schrieb Pier Paolo Pasolini im November 1968, als er von dem Todesurteil hörte. Damals ging ein Aufschrei um die Welt. In Italien legte man die Arbeit nieder, die ausgebürgerte griechische Schauspielerin Melina Mercouri trat in den Hungerstreik, und sogar Paul VI. hob mahnend den Zeigefinger. Vollstreckt wurde das Urteil gegen den 1939 bei Athen geborenen Offizierssohn nicht, die Junta konnte einen derart prominenten Märtyrer nicht brauchen. Es liess sich auch so nur mit äusserster Härte regieren. Bereits in den ersten Tagen des Staatsstreichs waren Zehntausende vermeintliche Oppositionelle interniert, deportiert, ermordet worden – ganz nach dem auf Nato-Richtlinien basierenden Prometheus-Plan zur Verhinderung einer linken Regierung. Juntachef Georgios Papadopoulos hatte gut aufgepasst bei den Ausbildungskursen der CIA.

Der freiheitsliebende und Gedichte schreibende Elektroingenieur hatte den Putsch im April 1967 als das Ende seiner Dienstzeit gedeutet: Er desertierte aus der Armee, gründete auf Zypern die Organisation Nationaler Widerstand und bereitete Aktionen gegen das Regime vor. Im August 1968 zündeten er und seine Mitstreiter auf einer Küstenstrasse bei Athen die Bombe, die Papadopoulos zerfetzen sollte. Doch der Diktator blieb unverletzt. Er selbst wurde gefasst, bestialisch gefoltert, floh, wurde wieder gefasst und kam schliesslich 1973, nach drei Jahren Einzel- und Dunkelhaft, durch eine von den USA verordnete Generalamnestie frei.

Nach der Havarie des Militärregimes 1974 – das Land war isoliert, die Wirtschaft serbelte, und die StudentInnen revoltierten – wurde der gescheiterte, aber dennoch gefeierte Tyrannenmörder ins Parlament gewählt. Und blieb auch dort unbequem. Wenige Tage nach seiner Ankündigung, Dokumente über die gewendeten Demokraten zu veröffentlichen, die mit dem Militärregime kollaboriert hatten, kam er, 36-jährig, bei einem mysteriösen Autounfall ums Leben. An seinem Begräbnis skandierte eine Million Menschen «Zei!» – «Er lebt!».

Wer war der unerschrockene Widerstandskämpfer und Politiker, der sich auch vor Gericht den Mund nicht verbieten liess und den die italienische Journalistin Oriana Fallaci in dem Buch «Ein Mann» verewigt hat?

Wir fragten nach dem griechischen Politiker und Widerstandskämpfer Alekos Panagoulis (1939–1976). Die aus dem Militärarchiv entwendeten Dokumente, die er veröffentlichen wollte, verschwanden nach seinem Tod. Oriana Fallaci lernte Panagoulis im August 1973 bei einem Interview kennen; danach wurden sie ein Paar. Panagoulis verfasste im Gefängnis Gedichte, mangels Schreibmaterial auch mit Streichholzstummeln und Blut. Die Einleitung zu seinem Gedichtband 
«Vi scrivo da un carcere in Grecia» (Ich schreibe euch aus einem Gefängnis in Griechenland) verfasste Pier Paolo Pasolini.