Diplomatie nach Kopenhagen: Neue Prognose: 3,9 Grad

Nr. 7 –

Für ein verbindliches Klimaabkommen in diesem Jahr stehen die Chancen schlecht.


Wenn es etwas gab, was man am mageren Resultat des Kopenhagener Klimagipfels vom vergangenen Dezember als Erfolg werten konnte, so war es dies: Erstmals hat ein offizielles Uno-Dokument das Ziel festgehalten, die Erwärmung der globalen Mitteltemperatur auf 2 Grad gegenüber vorindustriellem Niveau (1,2 Grad gegenüber heute) zu begrenzen. Doch sind das erst Worte. Derzeit bewegt sich die Welt auf eine Erwärmung um das Doppelte zu, also um fast 4 Grad.

Die «Kopenhagener Vereinbarung», die eine Gruppe von 25 Staaten in Kopenhagen ausgehandelt hat und die vom Plenum der Konferenz «zur Kenntnis» genommen wurde, enthielt im Anhang eine leere Liste. Die 193 Mitgliedstaaten der Uno-Rahmenkonvention zum Klimawandel waren aufgerufen, bis Ende Januar einzutragen, um wie viel sie ihre Emissionen zu senken gedenken. 55 Staaten sind dieser Aufforderung fristgerecht gefolgt; diese sind nach Angaben des Uno-Klimasekretariats für 78 Prozent der globalen CO2-Emissionen aus der Energienutzung verantwortlich.

Wissenschaftlicher Klartext

Die Schweiz hat ihr Reduktionsziel noch nicht deklariert: Der Bundesrat hat das weitere Vorgehen in der Klimadiplomatie noch nicht besprochen. Voraussichtlich wird sich die Schweiz dann einfach der EU anschliessen. Die bisher abgegebenen Zusagen sind enttäuschend. So kann das Uno-Ziel nicht erreicht werden. «Um der Dimension der Herausforderung gerecht zu werden, sind grössere Ambitionen nötig», sagt Uno-Klimasekretär Yvo de Boer im Diplomatenjargon, «aber ich sehe in den Geboten klare Signale eines Willens, die Verhandlungen zu einem erfolgreichen Abschluss zu führen.»

Mehr Klartext liefert das Climate-Interactive-Forschungsteam. Diese WissenschaftlerInnen vom Sustainability Institute und dem Massachusetts Institute of Technology füttern laufend ihre Klimamodelle mit den neuesten Zusagen und Absichtserklärungen der Klimadiplomatie. Mit den bis Ende Januar zugesagten Emissionsbegrenzungen würde sich die Erde immer noch um 3,9 Grad erwärmen – wenn sie denn eingehalten werden, denn rechtlich bindend sind die Erklärungen nicht.

Mittlerweile wird eifrig weiterverhandelt, und noch besteht eine leise Hoffnung, dass an der nächsten grossen Klimakonferenz, die Ende November in Mexiko beginnt, ein verbindliches Abkommen zustande kommt. Im Mai soll in Bonn das erste Vorbereitungstreffen dazu stattfinden. Bereits im Januar trafen sich die «Basic-Staaten» zu Klimagesprächen – das Akronym steht für Brasilien, Südafrika, Indien und China. Die vier Schwellenländer forderten, dass die in Kopenhagen zugesagten Gelder für den Schutz vor den Folgen des Klimawandels tatsächlich ausbezahlt werden. Bolivien richtet zudem im April einen «Gipfel der Völker zum Klimawandel und den Rechten der Erde» aus. Die EU hat den Klimawandel für ihren Gipfel im März traktandiert. Dort wird man das Trauma von Kopenhagen aufzuarbeiten haben, wo die EU ohnmächtig und zerstritten dastand.

Klimaskepsis in China

Insgesamt stehen die Zeichen jedoch schlecht. In den USA ist Zwischenwahljahr, und nachdem die DemokratInnen bei Ersatzwahlen in Massachusetts ihre «Supermehrheit» im Senat eingebüsst haben, ist die Regierung Barack Obamas geschwächt – und wenig geneigt, Risiken einzugehen. Auch China, der zweite Emissionsgigant, sendet ernüchternde Signale: Am Basic-Treffen äusserte Chefunterhändler Xie Zhenhua sogar Zweifel daran, dass die globale Erwärmung tatsächlich vom Menschen verursacht sei. Zhenhua steht nicht alleine da: Rund um die Welt haben die «KlimaskeptikerInnen» wieder an Elan zugelegt, seit die Klimawissenschaften unter Dauerbeschuss geraten sind und der Uno-Klimarat IPCC ungeschickt bis arrogant darauf reagiert hat (vgl. Interview).

Der anderen Seite fehlt es demgegenüber an Durchsetzungsvermögen. Der «Guardian» zitiert einen britischen Diplomaten mit den Worten: «Die Kräfte, die dem Klimawandel begegnen wollen, wandern wie eine geschlagene Armee in kleinen Gruppen über das Schlachtfeld.» Und der Berichterstatter für den Klimawandel des Europäischen Rats, John Prescott, sagt kurzerhand: «Ein Erfolg in Mexiko ist unmöglich.»