Durch den Monat mit Thomas Ragettli (Teil 3): Ein Lift als Attraktion?

Nr. 33 –

Vor zwei Monaten ist in Flims ein Grossbrand ausgebrochen. Vierzehn Häuser und Ställe im Ortskern sind abgebrannt. Ein junges Mädchen war die Brandstifterin.
Das war eine tragische Nacht. Wie es entstanden ist und was passiert ist. Aber wir müssen froh sein, dass Menschen nicht zu Schaden gekommen sind.

Waren Sie selbst vor Ort?
Sogar ziemlich schnell. Ich habe den Brand von zu Hause aus gesehen und bin sofort hin. Aber viel tun konnte ich natürlich nicht, ausser zu kontrollieren, dass die Rettungskräfte genug Wasser zur Verfügung hatten. Zum Glück haben wir vor einigen Monaten in eine neue Steueranlage für die Wasserversorgung investiert – gerade rechtzeitig.

Flims hat eine freiwillige Feuerwehr. Reicht das aus bei einem Grossbrand?
Die Feuerwehrleute haben tadellos gearbeitet. Und sie wurden auch von ihren Kollegen aus dem Raum von Ilanz bis Chur unterstützt.

Wie haben Sie den Rest jener Nacht erlebt?
Ich habe mich auf die Suche nach den direkt betroffenen Bewohnerinnen und Bewohnern gemacht. Um sicher zu sein, dass alle einen Platz für die Nacht gefunden hatten. Und natürlich, um mich zu vergewissern, dass wirklich niemandem etwas Schlimmes passiert ist. Nun gilt es, die Aufgaben der Gemeinde zu erfüllen.

Inwiefern?
Die vierzehn Gebäude sind bis auf die Grundmauern abgebrannt. Die Gemeinde hat die Aufräumarbeiten koordiniert. Der Wiederaufbau ist nun selbstverständlich die Angelegenheit 
jedes Grundbesitzers. Wir haben sofort ein Quartierplanverfahren eröffnet, 
um für den Wiederaufbau günstige Rahmenbedingungen zu schaffen. 
Auch wenn die historische Substanz 
unwiderruflich verloren ist, beschleunigt das Quartierplanverfahren den Wiederaufbau unter zeitgemässen Bedingungen und stellt sicher, dass das Cachet des alten Dorfteils erhalten bleibt.

Die abgebrannten Häuser gehörten zum historischen Dorfkern. Etwas versteckt, hinter der Hauptstrasse, die stark befahren ist.
Ja, das stimmt. Aber nächstes Jahr im Herbst wird der Umfahrungstunnel Flimserstein eröffnet. Das ist dringend nötig, denn in Stosszeiten fahren so 
viele Autos durch das Dorf, dass man kaum die Strasse überqueren kann. Die Umfahrung wird die Lebensqualität im Dorf für Gäste und Einheimische enorm erhöhen.

Wo liegt eigentlich die Ursache für diesen Verkehr?
Unsere Dorfstrasse ist die Kantonsstrasse, die das gesamte Oberland erschliesst. Alle müssen durch Flims fahren, Lastwagen, Personenverkehr, der Ferienverkehr und die Wochenaufenthalter, die am Wochenende nach Graubünden heimkehren.

Die Umfahrung ist schon jahrzehntelang ein Thema.
Oh ja, man redet schon lange darüber. Die geologischen und hydrologischen Verhältnisse sind in Flims sehr komplex, und man weiss darüber selbst 
heute noch viel zu wenig. Die Risiken eines Tunnelbaus sahen so aus, dass entweder der wunderschöne Grosswald zerstört würde oder aber im Berg Wasseradern verletzt werden könnten. Das waren nicht unbegründete Ängste – aber nun ist der Tunnel praktisch fertig erstellt.

Wurden keine Stimmen laut, dass eine Umfahrung den Verkehr nur 
fördere?
Nein, es war mittlerweile allen klar, dass dieser Tunnel unbedingt notwendig ist. Der heutige Durchgangsverkehr macht Flims für Gäste unattraktiv.

Apropos Verkehrsförderung, wird Flims von der Porta Alpina profitieren?
Die Porta Alpina ist eine sehr gute Sache. Für die touristische Weiterentwicklung im Raum Disentis–Sedrun ist sie von grosser Bedeutung. Ob deswegen mehr Gäste nach Flims kommen, möchte ich allerdings bezweifeln.

Warum will denn ganz Graubünden diesen Lift?
Das Tal hatte bisher mit vielen strukturellen Problemen zu kämpfen, das wird sich wohl ändern. Und wie gesagt, es wird sicher eine grosse touristische 
Attraktion werden.

Ein Riesenrad wäre ja auch eine Attraktion, aber viel billiger.
Ich denke, wenn eine Randregion einen wesentlichen wirtschaftlichen Aufschwung erfährt, dann ist es eine lohnende Investition.

Thomas Ragettli, 59, ist promovierter Chemiker und ehemaliger Berufsoffizier. Er sitzt für die FDP im Grossen Rat Graubünden und ist seit drei Jahren Flimser Gemeindepräsident. In seinem Dorf wird ab dem 18. September [2006] die Herbstsession der Eidgenössischen Räte stattfinden, die «Sessiun».